© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Der Wald der toten Soldaten
Volkstrauertag: Am Wochenende weiht die Bundeswehr in der Nähe von Potsdam eine neue zentrale Gedenkstätte ein
Christian Schreiber

Es ist ein Ort der Stille. Ein schmaler Weg nur führt einen kleinen Hügel hinauf in ein lichtes Wäldchen. Dort, auf dem Gelände der Henning-von-Tresckow-Kaserne in der Nähe von Potsdam, ist in den vergangenen Monaten eine Gedenkstätte entstanden, die pünktlich zum Volkstrauertag offiziell eröffnet wird: der Wald der Erinnerung.

Auf einem 4.500 Quadratmeter großen Gebiet ist die zentrale Gedenkstätte der Bundeswehr für alle in Ausübung ihres Dienstes verstorbenen Bundeswehrangehörigen, insbesondere für die bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommenen Soldaten, entstanden. „An diesem Ort soll an alle Soldaten und zivilen Kräfte gedacht werden, die im Dienst ihr Leben verloren haben, etwa bei Manövern oder Verkehrsunfällen. Es geht nicht nur um die Toten bei Auslandseinsätzen, es geht um eine ganzheitliche Aufarbeitung des Themas“, erläutert Presseoffizier Mario Carlsson.

An der Zeremonie am Sonnabend wird neben Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auch Bundespräsident Joachim Gauck teilnehmen.

Kritik an der Wahl des Ortes

Eine Ansprache des Staatsoberhauptes sei aber nicht vorgesehen: Im stillen Gedenken wolle Gauck seinem Respekt für die zu Tode gekommenen Soldaten und seinem Mitgefühl für die Angehörigen Ausdruck verleihen, teilte die Bundeswehr mit. Insgesamt 3.200 Todesfälle hat das Verteidigungsministerium seit Gründung der Bundeswehr registriert. Die Hinterbliebenen können in der neuen Gedenkstätte ähnlich wie in Friedwäldern Schilder und Plaketten an Bäumen anbringen. Bestattungen sind aber ausgeschlossen, schließlich seien die allermeisten Verstorbenen ohnehin an ihrem Heimatort begraben, sagt Carlsson. Herzstück der Gedenkstätte sind mehrere Ehrenhaine. Gebilde aus wuchtigen Feldsteinen, Plaketten und Souvenirs, angelegt von Bundeswehrsoldaten in den Feldlagern im Kosovo, in Bosnien oder Afghanistan im Gedenken an gefallene Kameraden.

Rund zwei Millionen Euro hat das Projekt gekostet. Die Initiative sei dabei von Angehörigen ausgegangen. Unter anderem hatte Marlis Böken, die Mutter der im Jahr 2008 auf der Gorch Fock ums Leben gekommenen Kadettin Jenny Böken, immer wieder dafür geworben. Mittlerweile leitet die 56jährige eine Stiftung, die sich um die Hinterbliebenen verunglückter Bundeswehrangehöriger kümmert: „Es ist gut, daß es künftig einen Ort geben wird, an dem an die Toten gedacht werden kann“, sagt sie.

Daß der Wald der Erinnerungen vor den Toren der brandenburgischen Hauptstadt entstanden ist, ist kein Zufall. Denn in der Kaserne von Geltow werden die Auslandseinsätze der Truppe geführt, dort laufen auch die Nachrichten von getöteten oder verwundeten Kameraden ein. Dennoch gibt es auch Kritik an der Wahl des Ortes. Die Gedenkstätte ist zwar für jedermann erreichbar, allerdings erst nach einer Paßkontrolle und in Begleitung durch einen Besucherdienst. „Ich hätte mir einen zentralen Ort gewünscht, insbesondere in der Nähe des Bundestages. Dort wird über die Einsätze entschieden“, sagte der Vize-Vorsitzende des Bundes Deutscher Veteranen, Johannes Clair. „Aber es ist ein erster großer Schritt hin zu einer Erinnerungskultur in der Bundeswehr.“

Der komplett aus erdfarbenen Ziegeln gepflasterte Weg der Erinnerung wird von sieben Stelen gesäumt, die in bronzenen Lettern das Todesjahr, den Vor- und Nachnamen sowie das Einsatzgebiet der im Einsatz umgekommenen Bundeswehrangehörigen tragen werden. Daß die Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten integriert wurden, ist den Soldaten ein zentrales Anliegen gewesen. Auch daher drückte die Bundeswehr bei der Realisierung des Waldes der Erinnerung aufs Tempo. Viele Soldaten hatten Sorge, ihre Ehrenhaine könnten nach dem Abzug der Bundeswehr von der einheimischen Bevölkerung zerstört werden. Aufgrund der sehr individuellen Beschaffenheit der Ehrenhaine sei es aber nicht in allen Fällen möglich gewesen, diese in voller Größe wieder zu errichten. „Aber der Wiederkennungswert wird hoch sein. Es soll auch verdeutlichen, wo die Kameraden gefallen sind und ein Bewußtsein für die Risiken eines Einsatzes schaffen“, sagt Presseoffizier Carlsson.

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