© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Kampf gegen Windmühlen läuft auf Hochtouren
Energiewende: Ein Baden-Württemberger kämpft mit der Initiative Windkraftfreie Heimat gegen Verspargelung und Geldverschwendung
Taras Maygutiak

Wenn eine Umgehungsstraße gebaut werden soll, dauert es mitunter Jahrzehnte. Öffentliche Projekte und Schnelligkeit sind zwei Begriffe, die wenig miteinander zu tun haben.

Doch gilt das immer? In Baden-Württemberg war die Anzahl der Windkraftanlagen bis vor wenigen Jahren überschaubar. Im Schwarzwald hatten sich Anwohner erfolgreich gegen die „Verspargelung“ der Landschaft gewehrt. Bis zur Übernahme der Landesregierung in Stuttgart durch Grün-Rot im März 2011. Seither wird der Ausbau der Windkraftanlagen mit Hochdruck vorangetrieben.

Seit zehn Jahren gibt es die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Windkraftfreie Heimat. Sie steht für einen Kampf, der in vielen Landstrichen ausgefochten wird. Die JF traf sich in Dobel im Nordschwarzwald – einem 2.100-Seelen-Dorf zwischen Baden-Baden und Pforzheim – mit dem Vorsitzenden der Arge Ulrich Kull (64) und Wilhelm Peppler (84), der seit der Gründung der Gemeinschaft gegen die Windkraftanlagen Front macht.

Ging es in den vergangenen Jahren um Anlagen bei Simmersfeld, rund 30 Kilometer entfernt in der Nähe von Freudenstadt, so haben sie es jetzt mit der Planung von weiteren zwölf Anlagen, gar nicht weit entfernt zwischen Dobel und Straubenhardt, zu tun. Die Anlagen bei Simmersfeld konnten sie seinerzeit nicht verhindern. Und auch was die Anlagen in der unmittelbaren Nähe betrifft, fürchten beide, daß der Widerstand gegen die Windkraftanlagen wahrscheinlich ein Kampf gegen Windmühlen sein wird.

Lokalpolitiker werden mit Pachtgebühren gelockt

„Es wird nicht objektiv informiert und berichtet“, meint Kull achselzuckend. Darin sieht er den Hauptgrund, weshalb sich kein breiterer Widerstand regt. Sein Verein hat 64 Mitglieder. Zwar formieren sich auch in Gemeinden in der Nähe immer mehr Leute zu ähnlichen Gemeinschaften, berichtet er, aber der große Widerstand ist das noch nicht. Ein wenig Hoffnung hat er, kürzlich habe sich ein Landesverband der Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen gegründet. Nach wirkungsvoller Vernetzung klingt das jedoch noch nicht.

Wenn es ums Thema Windkraftanlagen geht, sind Kull und Peppler bestens mit Details vertraut. Wie groß und hoch die Anlagen werden, wieviel Wald dafür abgeholzt wird, welche Leistung – oder eben nicht – dieselben bringen, wie Städte, Gemeinden und vor allem Stuttgart den Ausbau der Windräder vorantreiben und daß es eben „nur ums Geld geht“, erzählen die beiden am Wohnzimmertisch des Holzhauses mit Blick bis in die Rheinebene hinunter.

Vor kurzem erst habe der Straubenhardter Gemeinderat die Windkraftanlagen mit einer Gegenstimme abgenickt, erzählt Kull. Die zwölf geplanten Windräder werden Drei-Megawatt-Anlagen sein. Mit 210 Metern werden diese um einiges höher als die Windräder, die bislang im Schwarzwald gebaut wurden. Ein Flügel habe bei diesem Anlagetyp alleine schon eine Länge von 70 Metern und wiege rund 60 Tonnen, weiß Kull. Für eine der großen Anlagen müßte etwa ein Hektar Wald abgeholzt werden, die Schneisen für die eigens zu bauenden Zufahrtsstraßen, um die sperrigen Flügel anzuliefern, nicht mitgerechnet. Mehrere Millionen Euro läßt sich der Betreiber Wircon das kosten.

Und weshalb spielen die Gemeinden überall mit? Die Städte und Gemeinden wurden in den vergangenen Jahren angehalten, geeignete Plätze für Windkraftanlagen zu suchen. „Zusätzlich planen die Regionalverbände an den Gemeinden vorbei“, erzählt Kull.

Sollte eine Gemeinde einmal wirklich nichts mit Windkraftanlagen im Sinn haben, hält eben der Staatsforst her, für den Grünen-Minister Alexander Bonde in Stuttgart zuständig ist. Bei den Anlagen zwischen Dobel und Straubenhardt ist es ähnlich gelaufen. Vier werden auf Gemeinde-Gemarkung stehen, acht werden im Staatsforst errichtet.

Attraktiv wird es für die Kommunen, weil sie mit 25.000 bis 50.000 Euro Pacht pro Jahr und Anlage ihre Gemeinde-Säckel auffüllen können. Bürgermeister und Gemeinderäte sind daher in der Regel schnell dabei.

Anlagen verschandeln die Landschaft

Abgesehen davon, daß die riesigen Anlagen mitten im Touristikgebiet Schwarzwald das Landschaftsbild verschandeln, im Sommer – wie im Südschwarzwald beobachtet – unzählige Fledermäuse durch die Rotoren getötet werden und daß im Winter an den Flügeln angesetztes Eis sich zu tödlichen Geschossen verwandeln kann, halten Kull und Peppler schon alleine wegen der mangelnden Effizienz nichts von den Windkraftanlagen. Peinlich genau führen sie Buch, wann die Anlagen überhaupt Strom erzeugen.

„Windkraft und Solar sind eine sehr unzuverlässige Quelle, vom Prinzip her Unfug – vor allem im windschwachen Süddeutschland“, meint Peppler: „Schon die Anlagen bei Simmersfeld brachten weniger Energie als prognostiziert.“

Zudem: Auch wenn einmal tatsächlich Strom produziert werde, fehlten heute die Speichermöglichkeiten. Für die Simmersfelder Anlagen seien damals sehr optimistisch 2.300 Vollaststunden pro Jahr versprochen worden.

Mit 1.000 bis 1.400 Vollaststunden erfüllten sie nur rund die Hälfte der Prognose. Bei den Anlagen, die nun mehr oder weniger vor Kulls und Pepplers Haustüren aus dem Boden gestampft werden, wurden ganz großzügig 3.000 Vollaststunden zugrunde gelegt. Werte, die sonst an der Nordsee erreicht werden.

Foto: Windrad mitten im Schwarzwald, Vereinsvorsitzender Ulrich Kull: Anlagen bringen oft weniger Strom als erwartet und sind ein Risiko für die Fauna, werden dennoch von Politikern durchgeboxt

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