© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Mann-Frau-Klischees hinterfragen
Schlau: Das „Schwul-Lesbische Aufklärungs“-Projekt will die Schule toleranter machen, gleichzeitig ist es eine tragende Säule rot-grüner Homo-Lobbyarbeit
Mario Jacob

Es wirkt eher im Hintergrund. Kaum jemand kennt seinen Namen. Dennoch gilt „SchLAu“ als eine „tragende Säule“ des ambitionierten rot-grünen „Aktionsplans für Gleichstellung, Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“ des Landes Nordrhein-Westfalen. Daraus macht die zuständige Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen), keinen Hehl und verweist darauf, daß die Landesregierung das Projekt seit Mitte 2011 mit einer hauptamtlichen Koordinierungsstelle finanziell unterstützt. Ziel sei es, die „bislang geförderte ehrenamtliche“ sexuelle Aufklärung und Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen weiter zu „professionalisieren und zu qualifizieren“.

SchLAu steht für Schwul-Lesbisch-Bi Trans*-Aufklärung und Lobbyarbeit in NRW und ist die Vernetzung von lokalen Gruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Ein Projekt, das in der Vergangenheit mehrfach ausgezeichnet wurde. Unter anderem überreichte 2003 der damalige Ministerpräsident Peer Steinbrück die „Agenda 21 NRW – Best-practice“-Auszeichnung für „praktizierte Nachhaltigkeit und Innovationscharakter im Themenschwerpunkt Sozial- und Gesellschaftspolitik.

NRW-SPD betätigte sich als Geburtshelfer

Im Herbst 1999 trafen sich in Essen mehrere Gruppierungen, vereint im Projekt „Quer“, mit dem Plan einer effektiveren Vernetzung. Mit dabei waren das Jugendnetzwerk Lambda NRW, das Projekt Liebesleben aus Gelsenkirchen, das queerforum der Falken aus Oer-Erkenschwick, die LAG-Lesben, das Schwulen Netzwerk NRW, SchLAu Düsseldorf, Pascal Belling vom damaligen Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen, Uwe Sielert von der Gesellschaft für Sexualpädagogik (GSP) sowie Stefan Timmermanns vom Bonner „SLAB“, das sich 1995 als „Schulisches Aufklärungsprojekt“ im Schwulen- und Lesbenzentrum in Bonn gegründet hatte. Obdach gewährten damals die Falken, die Sozialistische Jugend Deutschlands, im Salvador-Allende-Haus. Fünf Jahre später entstand daraus SchLAu NRW – die größte Gruppe des SchlAu-Netzwerkes mit aktuell rund 200 Aufklärern. Besonders Belling, seit 1997 im Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen tätig, engagierte sich stark für die Bildung von SchLAu NRW.

Träger des SchLAu NRW ist das zum größten Teil aus Mitteln des Landes geförderte Schwule Netzwerk NRW Dessen hauptamtlicher Landesgeschäftsführer Markus Johannes zeichnet zugleich verantwortlich für SchLAu NRW. Parallel dazu ist er Mitglied des Kuratoriums der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Hauptziel der Stiftung ist die Erforschung der gesellschaftlichen Lebenswelt von Lesben, Schwulen sowie Transgendern.

Landeskoordinator für die SchLAu-Schulaufklärungsprojekte ist Benjamin Kinkel. Dieser forderte 2012, auch die Kompetenz der Lehrer zu verbessern. Danach sollten nach Meinung Kinkels Lehrer zu Fortbildungen zum Thema Homosexualität verpflichtet werden. „Das ist aber in der Politik noch nicht überall angekommen.“ Immerhin gebe es das von SchLAu Nordrhein-Westfalen begleitete Projekt „Schule der Vielfalt“, erklärt Kinkel nach Angaben des Fresh-Magazins.

Begleitet werden die SchLAu-Aktivisten wiederum vom bereits erwähnten Timmermanns. Der Sexualpädagoge wirkt als Mitglied im SchLAu-Fachbeirat und zugleich als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Sexualpädagogik (GSP). Timmermanns promovierte 2003 an der Kölner Universität mit einer Dissertation über die „Evaluation schwul-lesbischer Aufklärungsprojekte in Schulen“, wobei als Zweitgutachter der Kieler Pädagoge Uwe Sielert zuständig war.

Sowohl Timmermanns als auch Sielert verteidigten 2007 die umstrittene Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele – Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Sexualentwicklung“. Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebene und von einer Dozentin des Instituts für Sexualpädagogik (isp) gefertigte Broschüre wurde von der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wegen zweideutiger oder mißverständlicher Formulierungen zurückgezogen.

Gesellschaft für Sexualpädagogik ante portas

Im Namen der GSP unterstrich Timmermanns damals, daß der positive Umgang mit dem Körper „nicht von selbst“ entstehe, sondern dem Kind „vermittelt werden“ müsse. Nach Aussage des isp-Gründungsmitglieds und GSP-Geschäftsführers Sielert sei an der Broschüre aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Perspektive nichts auszusetzen. Kinder seien nun mal „sexuelle Wesen von Anfang an“. Wer, so Sielert weiter, „letztlich mit der fundamentalistischen Rahmung der Broschüre auch noch diskreditiert werden soll“, seien „nicht nur ‘die 68er’ sondern weit darüber hinaus die momentane Regierung, die Kirchen, sogar die Willensbildungsorgane der Europäischen Union, die schließlich die Gleichstellung sexueller Orientierungen und Gender Mainstreaming beschlossen“ hätten.

Das Netzwek SchLAu ist auf Expansionskurs. Stolz verweist der Jahesbericht 2013 darauf, daß das Projekt in 284 Workshops knapp 7.400 Teilnehmer erreicht hätte: „So viele wie nie zuvor in der Geschichte von SchLAu NRW.“

Neben SchLAu NRW gründeten sich auch weitere Gruppen in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Ursprünglich als reines ehrenamtliches Projekt geplant, werden mittlerweile Mitarbeiter auch gegen Entlohnung per Stellenausschreibung gesucht. So sucht SchLAu Niedersachsen einen hauptamtlichen Landeskoordinator. Die Entlohnung erfolgt in Anlehnung an den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) mit der Gehaltsgruppe E10. Träger von SchLAu Niedersachen ist das durch das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld geförderte Schwule Forum Niedersachsen.

Die Kontaktaufnahme mit den SchlAu-Gruppen ist denkbar einfach. So steigt die Zahl der Abonnenten auf der Facebook-Seite stetig. Das Netzwerk setzt sich nach eigenen Angaben aktiv für Workshops an Schulen, Vereinen oder sonstigen Einrichtungen ein. Interessierte können sich auch anonym an das Netzwerk wenden. Auch Workshops speziell nur für Lehrkräfte, die an den Schüler-Workshops nicht teilnehmen dürften, sind in diesem Kontext möglich.

Als Markenzeichen der SchLAu-Gruppen in der Aufklärungsarbeit gilt die „SchLAue Kiste“ – im Jahr 2000 als Dauerleihgabe vom zuständigen NRW-Ministerium unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich um einen Koffer mit antidiskriminierungspädagogischen Methoden zum „Abbau von Klischees und Vorurteilen“ – wie etwa Spiele, Kopiervorlagen, Situationsaufgaben, Moderationsmaterial, ein Kurzvideo, Arbeitsbuch, eine umfangreiche Literatur- und Medienliste sowie ein Keksdosenspiel.

Ziel des Spiels, so der Sprecher des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen, Christoph Meinerz, sei, das Wissen über lesbische und schwule Lebensrealitäten zu vermitteln. In einer Keksdose befänden sich Fragen wie „Was ist ein Coming-out?“ oder „Wie reagierst du, wenn sich eine Person aus deiner Klasse outet?“. Bei Anwendung dieser Methode würden im Plenum die unterschiedlichen Meinungen diskutiert. Sexuelle Fragen kämen nicht vor.

Die „SchLAuen Methoden“ orientieren sich nach Auskunft Meinerz’ sowohl inhaltlich als auch in ihrer Umsetzung an den Bedürfnissen der 17 lokalen Aufklärungsprojekte. Zudem griffen sie auf die Methoden der „gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskurse über Heteronormativität, Homosexualität sowie Diversity Studies“ zurück.

Im Mittelpunkt der Workshops steht zwar immer die Aufklärung über „lesbische, schwule, bisexuelle und trans*“- Lebensweisen. Doch da „Vorurteile und Klischees“ nach Meinung der Macher „oft mit stereotypen Geschlechterrollen“ in Beziehung stünden, würden diese auch zu 73 Prozent der Workshops explizit zum Thema gemacht. Mit der speziellen „Diversity-Perspektive“ und dem „Blick auf Mehrfachdiskriminierungen“ sollen Jugendliche zudem verstehen lernen, daß „Rassismus, Sexismus etc. oft mit Homo- und Transphobie“ in engen Zusammenhängen stünden.

Mittels Methodenspielen sollen die Jugendlichen lernen, sich intensiv mit diesen Themen zu befassen. So wie etwa beim Ja-Nein-Spiel, wobei ausdrücklich erlaubt ist zu lügen, um die Privatsphäre der Anwesenden zu schützen. Oder auch das Spiel Silhouetten: Diese Methode, so SchLAU-NRW, sei dafür konzipiert, „klassische ‘Mann-Frau’-Klischees aufzuzeigen und zu hinterfragen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen