© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Shakespeare als Atheist
Standops gescheiterte theologische Provokation
Michael Hanke

Ewald Standop setzt sich in seinem Buch „Credo quia absurdum?“ das Ziel, die „offenkundige Unsinnigkeit der religiösen Inhalte“ nachzuweisen. Der Versuch muß als gescheitert angesehen werden. Die als Frischkost aufgetischte alte nihilistische Doktrin, daß nach dem Tode das Nichts sei, bleibt so abwegig wie eh und je.

Wenn das Nichts „ist“, wird ihm Seins-Status zugesprochen. Was immer das Nichts also sein mag, es ist mit Sicherheit nicht nichts. Woher aber kommt dann alles? Standop weiß es nicht und flüchtet in Wunschphantasien: „Der Mensch als Überlebensmaschinerie für die Gene – das sollten eines Tages alle zur Kenntnis genommen haben, und das sollte in allen Schulen gelehrt werden und die offizielle Auffassung der Staaten sein.“ Wenn er kommentarlos einen Essay mit dem Tenor abdruckt, das Christentum sei „die intoleranteste, selbstgefälligste und arroganteste Religion, die je erfunden wurde“, so ist ihm entfallen, daß unser Toleranzbegriff christlichen Ursprungs ist. Eine Abkehr davon wird Europa teuer zu stehen kommen – wie ein Blick in atheistisch regierte Länder lehrt.

Zitat aus „Macbeth“ als vermeintlicher Beleg

Als gedankliche Grundlage dürfte Standop die These des Empiristen Alfred J. Ayer gedient haben, der zufolge metaphysische Sätze unsinnig sind, weil sie sich nicht durch Hinweis auf beobachtete „Tatsachen“ bestätigen lassen. Nur taugt die These nichts, wie schon der britische Philosoph Robin G. Collingwood feststellte. Denn schließlich lasse sich auch ein öffentlich begangener Selbstmord nicht durch Hinweis auf die beobachtete Tatsache bestätigen.

Auch aus philologischer Sicht liegt manches im argen. Standop stilisiert Shakespeare zum Wegbereiter des Atheismus, sieht darin sogar das „Zeichen für seine Größe“. Im König Lear habe er Gott als „Sadisten und Zyniker“ entlarvt. Dabei mißachtet Standop die Regel, daß eine dramatische Figur nicht automatisch zum Sprachrohr des Dichters degradiert werden darf. Und er verkennt, daß Shakespeare die eine Deutung gegen die andere ausspielt. Als Schlüsselbeleg für den vermeintlichen Atheismus bemüht er ein Zitat aus „Macbeth“: Für Macbeth ist das Leben sinnlos. Das sei „Nihilismus pur“. Gewiß – nur fehlt die Begründung dafür, warum Shakespeare sich ausgerechnet die Weltanschauung eines Mörders zu eigen gemacht haben soll.

Ewald Standop: Credo quia absurdum? Der Glaube an das Absurde. KSP-Verlag, Wuppertal 2013, broschiert, 186 Seiten, 14,90 Euro

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