© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Schweigend gegen Islamismus
„Pegida“: Zum fünften Mal in Folge demonstrieren Bürger in Dresden
Henning Hoffgaard

Langsam fährt der Rollstuhl nach vorne. Dann ist Schluß. Vor der etwa 60 Jahre alten Dame mit einer kleinen Deutschlandfahne in der Hand haben sich zehn schwarzgekleidete Linksextremisten aufgebaut. Sie beschimpfen und bedrohen die Frau. „Hau ab, Hau ab.“ Von einem Helfer und der Polizei eskortiert, schafft es die Rollstuhlfahrerin durch die aggressive Menge. Der Schreck steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ein Polizist, der die Situation beobachtet hatte, schüttelt mit dem Kopf. „Was soll denn das?“ ruft er den Linken entgegen und umfaßt seinen Schlagstock etwas fester.

Dresden am Montag abend. In der fünften Woche hintereinander hat die Vereinigung „Pegida“ („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) zur abendlichen Demonstration geladen. Mehr als 3.500 Demonstranten kommen. Ein neuer Teilnehmerrekord. Die Linksextremisten, die gerade noch die Rollstuhlfahrerin bedroht hatten, schauen von der anderen Straßenseite mißmutig, wie sich immer mehr Menschen auf dem Platz nahe der Altmarkt-Galerie versammeln. „Ich habe Gänsehaut“, sagt ein „Pegida“-Redner. Die Menschen, unter ihnen viele jüngere, applaudieren. Die Stimmung ist friedlich.

Keine Parolen, keine aggressiven Sprüche. Ein paar Transparente und Deutschlandfahnen. Das ist alles. „Hiernach gehen wir noch einen Glühwein trinken“, sagt eine Mutter zu ihrem Begleiter. Ihre Kinder hat sie auch mitgenommen. „Ich fühle mich einfach von der Politik nicht mehr ernstgenommen.“ Täglich lese sie von gewaltbereiten Islamisten und aggressiven Asylbewerbern. „Das möchte ich nicht“, sagt sie mit ihrem entwaffnenden sächsischen Dialekt. Eigentlich wolle sie ja gar nicht mehr mit Journalisten reden. „Die drehen einem das Wort im Munde um.“ Sie schluckt. „Aber, na ja, bevor alle schweigen, sag ich besser was.“ Ihren Namen will sie aber lieber nicht nennen. Sie ist zum ersten Mal auf einer „Pegida“-Demonstration und hat von Freunden davon erfahren. „Ich wollte mir das mal anschauen.“

Worum geht es „Pegida“? Entgegen dem etwas gestelzten Namen geht es den Teilnehmern nach eigenem Bekunden nicht nur um die Islamisierung. Es gibt einen Forderungskatalog, der seit fünf Wochen bei jeder Kundgebung vorgelesen wird. Änderung der Einwanderungspolitik nach dem Modell Kanadas, Australiens, der Schweiz oder Südafrikas, eine Null-Toleranz-Politik gegen religiöse Fundamentalisten und kriminelle Einwanderer sowie die Wiedereinführung von Grenzkontrollen.

Gegner rufen „Nie wieder Deutschland“

Ziel sei der „Schutz unserer Identität und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“ und die Stärkung der Polizei. „Es muß für uns wieder normal sein, öffentlich die Liebe zu seinem Vaterland zum Ausdruck zu bringen!“ Die Zuhörer quittieren jede Forderung mit Applaus. Angefangen hatte die Bewegung mit nicht einmal 200 Demonstranten. Seitdem geht es steil bergauf. In der vergangenen Woche waren es schon 1.700. Nun also mehr als doppelt soviel.

„Pegida“ und ihre knapp zwölf Organisatoren verstehen es, große Teile der Bevölkerung anzusprechen. Die Demonstration durch die Innenstadt verläuft friedlich. Einige haben ein paar schwarzrotgoldene Lampions mitgebracht. Ansonsten: Schweigen. An einigen Straßenecken stehen linke Gegendemonstranten mit Trillerpfeifen. Sie versuchen, die „Pegida“-Anhänger zu provozieren. „Ihr seid peinlich“, „Jesus würde euch hassen“. Der aggressive Ton verfängt nicht. Als die Polizei die Störer abdrängt, brandet kurz Applaus auf. „Beim nächsten Mal sind wir 5.000“, sagt ein Teilnehmer und lacht. Am Ende schallt „Wir sind das Volk“ über den Ort der Abschlußkundgebung. Dann löst sich die Demonstration auf.

Der Erfolg von „Pegida“ gefällt nicht allen. Ein junger Mann, der auch am Abend Sonnenbrille trägt, schlendert um die Demonstration herum und bietet sich jedem Journalisten als Interviewpartner an. Als ihn dann ein Fernsehteam befragt, setzt er eine entrüstete Miene auf. „Daß Nazis hier einfach so demonstrieren, ist unfaßbar“, sagt er in die Kamera. „Daß aber auch so viele normale Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gekommen sind, ist doch schrecklich.“

Neben dem linksextremen Bündnis „Dresden Nazifrei“ zeigt sich auch die Stadtverwaltung zunehmend irritiert vom Erfolg der „Pegida“-Demonstration. Zu einer von Kirchen und Gewerkschaften organisierten Gegendemonstration nahe der Frauenkirche sind etwa 200 Personen gekommen. Sie verlieren sich auf dem großen Platz. „Dresden darf kein Ort für Menschenfeindlichkeit sein“, sagt eine Rednerin. Dann spielt ein Posaunenchor.

Mehr los ist da schon auf der zweiten Gegendemonstration. Sie kommt aus der Dresdener Neustadt. Neben ein paar Anhängern von Grünen und Linkspartei hat sich hier auch der harte Kern der linksextremen Szene eingefunden. Am Ende sind es knapp 300 Personen. Die Stimmung ist aggressiv. „Nie wieder Deutschland“, „Haß, Haß, Haß“ und „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ wird gerufen. Als einige Dutzend von ihnen versuchen, in die Innenstadt durchzubrechen, um die heimkehrenden „Pegida“-Teilnehmer abzufangen, greift die Polizei ein. Pfefferspray und lautes Geschrei. Die Beamten fackeln nicht lange. Nachdem sie den Lautsprecherwagen einkesseln, ziehen die linken Demonstranten enttäuscht ab. Für sie war der Montagabend in Dresden eine Niederlage.

Foto: „Pegida“-Demonstration in Dresden; Gegendemonstranten (oben): „Ich habe Gänsehaut“

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