© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Putinversteher liegen leicht vorne
Ukraine-Konflikt: Bei einer Rußlandkonferenz auf Usedom streiten Libertäre über das richtige Verhältnis zu Rußland – und über Killerdrohnen
Ronald Gläser

Durch Deutschland geht ein Riß: Er teilt uns in ein Volk von Transatlantikern hier und Putinversteher dort. Diese Trennung geht auch durch die politischen Parteien. Und selbst das liberale Lager bleibt davon nicht verschont. Auf einer Konferenz des libertären Magazins Eigentümlich frei (EF) auf Usedom trafen am verganenen Wochenende die unterschiedlichen Positionen aufeinander.

Markige Worte über Rußland fand der Fernsehjournalist Günter Ederer. Für ihn stellt das Land eine Gefahr dar. „Rußland ist nicht frei, war es niemals und wird es nie sein“, meint er. Der homo sovieticus sei ein Mensch, der mit Freiheit wenig am Hut habe. Der Buchautor (JF 42/14) berichtete von einem Besuch in Moskau mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP). „Morgens wurden wir mit Champagner begrüßt. Nach einer Weile sagte einer der anwesenden westdeutschen Wirtschaftsmagnaten: Na seht ihr, so schlimm ist das hier doch gar nicht.“

Ederers Punkt: Führende Wirtschaftsvertreter seien stets gegen Sanktionen, weil sie in Ruhe ihren Geschäften nachgehen wollten. Für Menschenrechte oder die Freiheit der Unterdrückten hätten sie wenig übrig. Dies habe damals im Ost-West-Konflikt gegolten, und dies gelte auch heute, wo Rußland das Selbstbestimmungsrecht und die Integrität der Ukraine mit Füßen trete. Dann kritisierte Ederer die Geschichtsschreibung: Die Gleichsetzung der „Befreiung in Ost und West“ sei für ihn eine Verfälschung. In Osteuropa habe 1945 nur der Gefängniswärter seine Uniformfarbe gewechselt. Ederers Vortrag war der prowestliche Kontrapunkt der dreitägigen Veranstaltung. Unter den Referenten überwog leicht die prorussische Haltung, die die Freiheit inzwischen stärker durch den ausufernden westlichen Wohlfahrtsstaat, eine kriegslüsterne amerikanische Außenpolitik und gespentische Überwachungsapparate des Westens gefährdet sieht.

Jene Spionageaktivitäten von NSA, BND und FSB bildeten den Schwerpunkt von Henning Lindhoffs Vortrag, der der Frage nachging, welche Datenschnüffler – West oder Ost? – besser überwachen. Der stellvertretende Chefredakteur von Eigentümlich frei stellte die Bespitzelungstechnik deutscher, amerikanischer und russischer Dienste vor. Große Überraschung: Die Russen sind auch ziemlich weit, gerade bei der Spracherkennung.

Aber auch die deutschen Dienste seien schamlos beim Abhören und Speichern von Daten, schließlich hätten sie automatisch Zugang zu jedem größeren Rechenzentrum, wozu die Betreiber solcher Einrichtungen per Telekom-Überwachungsverordnung verpflichtet seien. Die Überwachung durch Planwirtschaftler sei also ziemlich gleichwertig, auch wenn die Russen möglicherweise nicht weltweit, sondern zur Zeit nur bei sich daheim Daten sammelten. „Oftmals wird sogar die gleiche Technik dafür verwendet“, so Lindhoff weiter. Trotzdem kam er am Ende zu dem Ergebnis, daß der Westen und insbesondere die Amerikaner die Nase vorn hätten – und das liege an Taranis. „Damit gehen die Schergen von Obama deutlich in Führung“, sagte Lindhoff. Mit dieser neuartigen britischen Killerdrohne werde die Überwachung revolutioniert. „Diese Drohne fliegt vollautomatisch, und sie kann vollautomatisch entscheiden, wen sie tötet. Dazu saugt sie sich die Daten aus den Rechnern westlicher Geheimdienste.“ Diese scheinbar aus der „Terminator“-Trilogie stammende Horrorvision könnte 2030 Wirklichkeit werden. Die Drohne soll dann fertig sein. Übrigens investiert auch Rußland jetzt verstärkt in die Drohnentechnik.

Als Höhepunkt der Konferenz auf Uedom trat am Samstag abend die Kunstfigur Alfons Proebstl auf. Der Österreicher tritt regelmäßig in einer nach ihm benannten Youtube-Show auf und nimmt dort nach bester Alfred-Tetzlaff-Manier das aktuelle Tagesgeschehen aus liberalkonservativer Sicht auseinander (JF 27/14).

Kritik im besten Wiener Dialekt

Proebstl schimpfte im besten Wiener Dialekt über die Sanktionen gegen Rußland: „Jetzt sollen ja alle in der EU entschädigt werden, die unter den bösen Putin-Sanktionen leiden müssen. Ich bin ja mal gespannt, wieviel sich da die Lebensmittel- und die Technologielobby in die Tasche stecken wird.“

Währenddessen liefen sich Argentinien, Brasilien und andere potentielle Exporteure warm. Ein spanischer Minister habe sich darüber aufgeregt, daß diese Schwellenländer jetzt mit Rußland ins Geschäft kämen. Proebstl: „Was hat der Lakai sich denn gedacht? Daß die Brics-Staaten sich lange bitten lassen? Die haben vom Mediamarkt gelernt und sagen: Ich bin doch nicht blöd.“

Der Auftritt des Satirikers trug erheblich zur Erheiterung der rund 80 Konferenzteilnehmer bei. Veranstalter und EF-Verleger André Lichtschlag war auch sonst zufrieden mit dem Ereignis: Er will möglicherweise 2015 abermals eine solche Konferenz ausrichten.

Foto: Satiriker Alfons Proebstl: „Brasilianer und Argentinier haben vom Mediamarkt gelernt“

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