© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Politischer Steinschlag
Vertriebenen-Stiftung: Direktor Kittel im Visier
Gernot Facius

Vor einem Jahr hat Erika Steinbach, damals noch BdV-Präsidentin, den langen Weg zur Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ eine „Art Extrembergsteigen, nicht ohne Steinschlag“ genannt. Aktuell sieht es so aus, als sei ausgerechnet der Stiftungsdirektor, Manfred Kittel, von politischem Steinschlag bedroht. Im wissenschaftlichen Beirat wird überlegt, Kittel das Mißtrauen auszusprechen.

Auslöser ist eine von einer griechischen Firma angekaufte Ausstellung „Gewaltmigration erinnern“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin, die Vertreibungen vornehmlich in Ländern wie Griechenland, der Türkei, Zypern, Pakistan und Indien thematisiert. Paukenschlag kurz vor Eröffnung: Der Teil der Schau, der Deutschland und Polen betrifft und angeblich zu pauschal auf die 2,1 Millionen Toten während der Vertreibung der Ost- und Sudetendeutschen hinweist, wird nicht gezeigt. Auf Druck von Beiratsmitgliedern, die Unstimmigkeiten bemängeln, dies aber nicht konkretisieren.

Unter Beobachtung von „Volkspädagogen“

Der Blick auf den zweiten Stein des Anstoßes läßt einen allerdings schlauer werden. In einem Werkstattbericht über die geplante Dauerausstellung ist die Vertreibung der Deutschen „der Schwerpunkt“, wie die FAZ hervorhob. Angeblich hatte man sich darauf geeinigt, von „einem“ Schwerpunkt zu sprechen – und auf eine Schau zu verzichten. Es mag Fehler in der Kommunikation mit dem (keineswegs homogenen) Wissenschaftlerzirkel gegeben haben. Doch erklärt das schon das Gewitter, das sich über dem Direktor zusammenbraut – mit einer Krisensitzung bei der Bundeskulturbeauftragten Monika Grütters und Instrumentalisierung der Medien?

Es wird vielmehr mit der Lupe nach Fehlern eines aus geschichtspolitischen Gründen unliebsamen Professors gesucht. Kittel steht unter Beobachtung von „Volkspädagogen“, die ihm seine Warnung vor einer deutschen „Zerknirschungsmentalität“ übelnehmen. Er hatte zwar nie etwas gegen die Einbettung der deutschen Vertreibungsthematik in einen europäischen Kontext. Aber für ihn war zugleich auch klar, wie er vor der bayerischen SPD-Landtagsfraktion sagte: Ausgangspunkt der deutschen Debatte seien nun mal Flucht und Vertreibung von 14 Millionen Deutschen: „Weil wichtige geistige Vorläufer von Vertreibungsideen schon sehr früh, vor dem Ersten Weltkrieg, entstanden sind.“ Wer ausschließlich auf die zwölf dunklen deutschen Jahre fixiert ist, hört das nicht gern.

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