© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Aus Feinden werden Kameraden
Verrat aus Treue und Treue zum Verrat: Dokumentarfilm über den Sohn eines der Hamas-Gründer, der über ein Jahrzehnt für den israelischen Inlandsgeheimdienst als Informant arbeitete
Sebastian Hennig

Der grüne Prinz“ heißt der letzte von drei Dokumentarfilmen über Terrorismus und Spionage. In den ersten beiden Filmen ließ der Regisseur Nadav Schirman Personen aus diesem Umkreis erzählen. Neben dem Sohn des deutsch-israelischen Agenten Wolfgang Lotz gaben im Debüt „The Champagne Spy“(2008) zum ersten Mal auch Führungsoffiziere des Mossad Auskunft. „In The Dark Room“ (JF 40/13) befragte Schirman Angehörige und Weggefährten des Terroristen Carlos.

Im neuen Film wird nun geradlinig von Anfang bis Ende durch die Betreffenden selbst berichtet. Der palästinensische Spitzel Mosab Hassan Yousef (Deckname „Der grüne Prinz“) und sein israelischer Führungsoffizier Gonen Ben Yitzhak haben das Wort. „Es war eine sehr große Herausforderung, eine packende Erzählung mit nur zwei Figuren zu inszenieren“, sagt Schirman dazu. Er habe dabei immer das Publikum im Auge behalten. So ist es der spannendste der drei Filme geworden. Für den Regisseur hatte die Geschichte „alle Elemente eines hochkarätigen Thrillers, die ich in Form eines Dokumentarfilms umsetzen wollte“.

Die Inszenierung ist minimalistisch

Den Erzählungen der beiden Protagonisten wird die Optik der technischen Überwachung und Aufspürung gegenübergestellt. Die Objektive sind nichts weiter als Zielfernrohre für Exekutionen. Sie geben keine Erkenntnisse. Die Inszenierung der Personen ist minimalistisch, doch eindrucksvoll. Auf Attribute wird ganz verzichtet. Der Spion sitzt auf einem Stuhl in einem kahlen grauen Raum. Von seinem Gegenüber wird nur die Nahaufnahme des Gesichts sichtbar. Der Film entwickelt sich als dramatischer Doppelmonolog zwischen den beiden, die sich zuletzt gegenseitig aus dem Abgrund ihrer Handlungen retten, indem sie sich von kooperierenden Feinden in Kameraden verwandeln. Warum sollte diese Unwahrscheinlichkeit nicht eintreten in einer Geschichte, die derart unwahrscheinlich beginnt?

Mosab Hassan Yousef ist der Sohn von Scheich Hassan Yousef, einem der sieben Gründer der Hamas. Er verehrt seinen Vater und liebt seine Familie. „Mein Vater hat mich nicht gelehrt zu hassen. Aber mit siebzehn konnte ich nicht anders fühlen.“ Damals wird er wegen Waffenschmuggels festgenommen, in der Haft schwer mißhandelt und vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet rekrutiert.

Ausschlaggebend wird für ihn der Terror im Terror, den er im Gefängnislager erlebt. Gerade selber aus den Fängen der Staatssicherheit entkommen, wird er Zeuge, wie die Hamas systematisch eigene Leute zu Tode foltert. Es ist die teuflische Selbstregulierung im System eines Haftlagers. Als privater Sekretär seines Vaters laufen alle Kontakte über ihn. Sein Führungsoffizier Gonen Ben Yitzhak beschreibt die Absicht, dem Informaten das Gefühl zu geben, „daß er wichtig für dich ist und nicht nur benutzt wird. In Mosabs Fall hat uns das geholfen, ihn zu nutzen.“ Mosab sagt: „Gonens Augen verrieten mir, daß ich sein bester Informant war.“

Die innige Beziehung zum Vater legt nahe, daß sich in seinem Sohn die Fragen materialisiert haben, die er sich selbst nicht mehr zu stellen wagt. Der psychologisch geschulte Führungsoffizier meint: „Ich glaube Hassan Yousef wußte, daß sein Sohn für uns arbeitete. Es war offensichtlich.“ Längst ist aber das Rechthaben wichtiger als die Wahrheit geworden. Das furchtbare Geschehen trägt Züge eines unseligen Ehekrachs. Beide Seiten können sich als Gegner nicht mehr entbehren und haben sich tödlich hassend ineinander verkrallt.

Die Archivaufnahmen zeigen einen bleichen, ungelenken Jüngling, der wie ein Gespenst neben seinem massigen Vater erscheint. Gespenstisch ist vieles im Umfeld der Hamas. Die blutrünstig-bizarren Militärparaden sind eine Mischung von Nordkorea und Ku-Klux-Klan. Mosabs Vater ist da zu sehen, wie er mit heiserer Stimme in ein zerbeultes Mikrofon ruft. Auf dem Platz winkt die Menge mit grünen Fahnen.

Öffentlich hat der Vater die Attentate begrüßt, doch der Sohn bezweifelt, daß er innerlich von deren Richtigkeit überzeugt war. Einmal warnt er ihn mit einem anonymen Brief. Am nächsten Tag entläßt der Vater seine Leibwache und taucht in einem Hotel unter. Die Aussichtslosigkeit der organisierten Selbstzerstörung des palästinensischen Volkes hat für Mosab den Verrat zur einzigen Wahrheit werden lassen. Zudem kann er die eigenen Leute durch Verhaftung gezielten Tötungen entziehen. Aufforderungen des Schin Bet, in die Moschee zu gehen, zu beten und in die Hamas einzutreten, leistet Mosab nicht Folge. Gonen Ben Itzhak wurde von seinem Vater vor der Mitarbeit im Inlandsgeheimdienst Schin Bet gewarnt: „Das ist eine dunkle Organisation. Tu es nicht.“ Als er sich während einer Krise des Informanten gegen alle Regeln privat mit diesem trifft, ist seine Karriere im Dienst sofort beendet.

Der Zuträger setzt sich nach Amerika ab

Bald danach verliert der Schin Bet aber auch seinen effektivsten Zuträger; Mosab Hassan Yousef setzt sich nach Amerika ab. „Sie konnten mich nicht zwingen. Ich kannte das Spiel.“ Ganz nebenbei ist zu erfahren, daß die USA keine eigenmächtigen Aktivitäten des israelischen Geheimdienstes dulden. In Europa wäre er dagegen nicht sicher gewesen. Die Bibelgruppe, der er sich im Exil anschließt, rückt entsetzt von ihm ab, als er um Unterstützung bei der Erlangung politischen Asyls bittet. Statt christlicher Nächstenliebe schlägt ihm blanke Angst entgegen. So reist sein geschaßter Führungsoffizier auf eigene Faust an, um sich zu revanchieren und für ihn auszusagen. „Das war die wichtigste Reise meines Lebens.“

Inzwischen ist, wie zu „The Champagne Spy“, bereits eine Spielfilm-Adaption von „The Green Prince“ in Vorbereitung. Professioneller und spannender als in diesem Dokumentar-Thriller mit originaler Besetzung wird es sich wohl kaum inszenieren lassen.

Der Film startet diesen Donnerstag in den Kinos.

 

Mosab Hassan Yousef

Der Dokumentarfilm „Der grüne Prinz“ basiert auf der Autobiographie von Mosab Hassan Yousef „Sohn der Hamas: Mein Leben als Terrorist“. Das Bekenntnisbuch erschien auf deutsch 2010 im christlichen Hänssler-Verlag (Holzgerlingen). Der in Ramallah im Westjordanland aufgewachsene älteste Sohn des Hamas-Mitbegründers Scheich Hassan Yousef erzählt darin nicht nur seine Familiengeschichte und berichtet über die Zusammenarbeit mit dem israelischen Inlandsgeheimdienst, sondern schildert auch seine Bekehrung zum Christentum. 2005 nimmt er heimlich Bibelstunden, konvertiert zum christlichen Glauben und läßt sich taufen. Zwei Jahre später geht er in die USA, wo er politisches Asyl beantragt und seither lebt.

Mosab Hassan Yousef: Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist. SCM Hänssler, 7. Auflage 2014, gebunden, 272 Seiten, 22,95 Euro

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