© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Ungereimtheiten im Bankenmilieu
Vor 25 Jahren wurde der Bankier Alfred Herrhausen ermordet / Ermittlungen in Richtung Rote-Armee-Fraktion führten ins Nichts
Wolfgang Kaufmann

Alfred Herrhausen, der am 11. Mai 1988 zum alleinigen Vorstandssprecher der Deutschen Bank avancierte, hatte viele Feinde. Dies resultierte nicht zuletzt daraus, daß er immer wieder auf die große politische und moralische Verantwortung der Banken hinwies und in diesem Zusammenhang auch einen weitgehenden Schuldenerlaß für Entwicklungsländer forderte. Hierauf antworteten insonderheit die angloamerikanischen Geldinstitute mit höchst aggressiven verbalen Attacken, weshalb sich der Spitzenmanager genötigt sah, auf der Weltbankkonferenz von 1987 eine schußsichere Weste zu tragen.

Ebenso zahlreich waren aber auch Herrhausens Gegner innerhalb der Deutschen Bank, wobei diese sich sowohl an seinen Maßnahmen bezüglich des Umbaus der Konzernstrukturen als auch an der intellektuellen Brillanz stießen, mit der das Ganze begründet wurde. Daraus resultierten endlose Querelen zwischen dem vermeintlichen „Snob“ und der Mehrzahl der anderen Vorstandsmitglieder, welche den Bankchef schließlich sogar dazu brachten, mit Rücktritt zu drohen. Die entscheidende Aussprache über Herrhausens umstrittene strategische Weichenstellungen sowie die personellen Konsequenzen daraus sollte am 30. November 1989 stattfinden, kam dann aber nicht zustande, weil ausgerechnet am Morgen dieses Tages ein Sprengstoffanschlag auf den Dienst-Mercedes des Bankiers stattfand, der zu dessen Tod führte.

Dabei schienen die Mörder schnell identifiziert zu sein, denn am 2. Dezember 1989 wurde unweit des Tatortes in Bad Homburg ein Bekennerschreiben der Roten-Armee-Fraktion gefunden, in dem es unter anderem hieß: „Am 30.11.1989 haben wir mit dem Kommando Wolfgang Beer den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, hingerichtet. Durch die Geschichte der Deutschen Bank zieht sich die Blutspur zweier Weltkriege und millionenfacher Ausbeutung, und in dieser Kontinuität regierte Herrhausen an der Spitze dieses Machtzentrums der deutschen Wirtschaft; er war einer der mächtigsten Wirtschaftsführer in Europa.“

Das freilich ist auch schon der einzige Beleg für eine Täterschaft der linksterroristischen Untergrundorganisation, denn die spätere Aussage des angeblichen Kronzeugen Siegfried Nonne, er habe die Tat gemeinsam mit den RAF-Mitgliedern Christoph Seidler und Andrea Klump sowie zwei Genossen namens „Stefan und Peter“ vorbereitet und ausgeführt, entpuppte sich 1996 als offenkundige Lüge. Ganz offensichtlich hatte der hessische Verfassungsschutz hier einen V-Mann mit bekanntermaßen schweren psychischen Problemen unter Druck gesetzt, bis dieser erzählte, was die Fahnder hören wollten. Bereits 1992 widerrief Nonne zudem seine Aussagen. Deshalb ermittelt die Generalbundesanwaltschaft seitdem nur noch „gegen Unbekannt“. Und das wiederum ruft allerlei Querdenker auf den Plan, die sich vor allem auf vier eklatante Merkwürdigkeiten des Falles konzentrieren.

Zum ersten verwundert, daß die umfangreichen Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Installierung der Lichtschranke, welche die Bombe an einem präparierten Fahrrad am Straßenrand auslöste, keinen Argwohn der Beamten des Hessischen Landeskriminalamtes erregten, denen die permanente Kontrolle und Sicherung des Arbeitsweges von Herrhausen oblag.

Unterlassene Hilfeleistung seiner Leibwächter

Zum zweiten entsprach die auffällig professionelle beziehungsweise militärische Machart des Sprengsatzes absolut nicht der üblichen Vorgehensweise der RAF. Zum dritten wiederum bleibt die Frage offen, wieso das vorausfahrende erste Begleitfahrzeug mit den Personenschützern von der Deutschen Bank am Tage des Attentates einen ungewöhnlich großen Abstand hielt. Ganz abgesehen von dem Umstand – und das wäre dann der Punkt vier –, daß Herrhausen die Bombenexplosion zunächst überlebte und erst acht bis neun Minuten später verblutete, weil die Leibwächter, von denen übrigens keiner ernsthaft verletzt war, auf jedweden Versuch verzichteten, seine zerrissene Oberschenkelarterie provisorisch abzubinden.

Spätestens angesichts dieser unterlassenen Hilfeleistung drängt sich tatsächlich der Verdacht einer Involvierung von Personen auf, welche nicht aus dem Umfeld der Roten-Armee-Fraktion stammten.

Foto: Tatort des Attentats auf Alfred Herrhausen, Bad Homburg 1989: Ermittlungen gegen Unbekannt

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