© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Alpine Querschlager
Neue Volksmusik: Fusion aus Tradition und Moderne
Michael Wiesberg

Die Erfolgsgeschichte des Herbert-Pixner-Projekts steht stellvertretend für die Lebendigkeit eines Musik-Genres, das in Österreich und zum Teil auch in Deutschland eine kreative und innovative Szene hervorgebracht hat, die sich insbesondere auch bei jungen Menschen steigender Beliebtheit erfreut. Gemeint ist die Neue Volksmusik – auch Neue Volxmusik genant–, die Elemente der Volksmusik mit Jazz, Folk, Hip-Hop oder anderen Musikrichtungen zu etwas Neuem verschmilzt.

Der Südtiroler Herbert Pixner dürfte derzeit neben dem „Altstar“ der Szene, Hubert von Goisern, der bekannteste Vertreter dieses Genres sein. Auf seiner aktuellen Einspielung, die den selbstbewußten Titel „Na und?!“ trägt, unterstreichen er und seine Mitmusiker erneut, warum sie zu den herausragenden Musikern der Neuen Volksmusik gehören.

Der „Paganini“ an der Steirischen Harmonika

Geo-Spezial brachte es auf den Punkt, als dort festgestellt wurde: „Was Paganini an der Geige war und Hendrix an der Gitarre, das ist Herbert Pixner an der Ziach, der Steirischen Harmonika.“ Diese Steirische Harmonika, ein diatonisches, wechseltöniges Handzuginstrument, beherrscht Pixner souverän und technisch brillant. Zusammen mit Katrin Unterschaber an der Harfe und Werner Unterlercher am Baß schafft er eine einzigartige Synthese aus Jazz, Blues sowie traditioneller und internationaler Volksmusik.

Das „x“ in der Bezeichnung „Neue Volxmusik“ suggeriert, daß diese Musik eine Form des „Crossover“ darstellt. Deshalb wird sie auch als Spielart der „Weltmusik“ („Alpenrock“) kategorisiert, der der nicht ganz unberechtigte Ruf anhängt, alles mit allem zu vermengen und dabei viel Kitsch zu produzieren.

Dessenungeachtet war der in den achtziger Jahren einsetzende Weltmusik-Boom eine Art Initialzündung für die Neue Volksmusik, weil sie ein neues Interesse an den eigenen Wurzeln weckte; insbesondere in Österreich und zum Teil auch in Deutschland formierten sich Gruppen verschiedenster Couleur, die eines einte – eine Synthese aus Volksmusik und verschiedenen Stilrichtungen der modernen Unterhaltungsmusik schaffen zu wollen.

Volksliedwerke unterstützen die Arbeit der Musiker

Frühe Vertreter dieser Richtung waren der Tiroler Komponist Werner Pirchner (1940–2001) oder die Biermösl Blosn, die sich 1976 formierten (und 2012 aufgelöst haben). Schrittmacher der Szene waren zweifelsohne die Zwei-Mann-Band Attwenger, Aniada a Noar und inbesondere Hubert von Goisern, dem Anfang der neunziger Jahre mit seinen „Alpinkatzen“ der Durchbruch gelang. Dieser verdeutlichte in einem Interview mit der Grazer Zeitschrift Der Vierzeiler, was seine besondere Motivation war: „Es hat mich einfach gereizt, die Volksmusik aus dem Ghetto zu holen, in dem sie sich seit den 1930er Jahren befand. Entstauben war da zu wenig. Dazu war es notwendig, sie zu dekonstruieren und neu zusammenzusetzen.“ Unmißverständlich erklärte Hubert von Goisern: „Ich betrachte die alpenländische Volksmusik als Bestandteil meiner Wurzeln, wie auch ein Afrikaner, ein Tibeter, ein Chinese oder Usbeke seine Tradition und deren Musik in sich trägt.“

Diese Deutung und Interpretation von Volksmusik fand in Österreich und Südtirol große Resonanz, was durch eine Vielzahl von Gruppen unterstrichen wird, die sich in den letzten Jahren formiert haben. Dazu gehören unter anderem Netnakisum, Folksmilch, Spafudla, Kobenzer Streich, Opas Diandl oder der schier unaussprechliche Holstuonarmusigbigbandclub.

Unterstützung erhalten die Musikanten der Neuen Volksmusik durch die Volksliedwerke der österreichischen Bundesländer, die die Sammlung, Forschung und Vermittlung von Volksmusik in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen auf ihr Panier geschrieben haben. Diese verwalten und archivieren nahezu alle Volkslied-, Volksmusik- und Volkstanzaufzeichnungen Österreichs.

Der Eindruck täuscht nicht: „Die Szene schillert bunt wie nie“, wie es Josef Schnedl ausdrückte, der ein über 300 Seiten starkes Buch über die Neue Volksmusik veröffentlicht hat. Der Widerhall auf diese Musik in den Medien (Radio und Fernsehen) indes bleibt eher spärlich; bestenfalls in den sogenannten Kultursendern finden Vertreter der Neuen Volksmusik hin und wieder Erwähnung.

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