© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Zuviel Propaganda, um wahr zu sein
Bertelsmann-Studie: Die These vom finanziellen Nutzen der Einwanderung erweist sich bei genauerem Hinsehen als Täuschung
Fabian Schmidt-Ahmad

Es gibt keine schlechten Produkte, es gibt nur schlecht beworbene Produkte. Dieses Mantra der Werbung dürfte die Bertelsmann-Stiftung wie kaum jemand sonst verinnerlicht haben. Als Thilo Sarrazin auf demographische Gefahren hinwies, waren das „langlebige Vorurteile und Legenden“. Als die AfD den Euro abwickeln wollte, hieß es: Eine Abschaffung „hätte für Deutschland verheerende Folgen“. Nun also die Belastungen der Deutschen durch die Masseneinwanderung.

Wenn angesichts des Ansturms von Einwanderern bei Deutschen eher das Gefühl um sich greift, ohnmächtige Mitglieder eines zum Schröpfen freigegebenen Gemeinwesens zu sein, weiß die Bertelsmann-Stiftung mal wieder alles besser. So hätten die 2012 in Deutschland gemeldeten 6,6 Millionen Ausländer pro Kopf einen Überschuß von 3.300 Euro und damit insgesamt 22 Milliarden Euro erwirtschaftet, heißt es in der jüngsten, von der Stiftung in Auftrag gegebenen Studie.

„Deutschland profitiert finanziell also beachtlich von seiner ausländischen Wohnbevölkerung“, schwärmt Studienautor Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Eigentlich sei alles sogar viel besser. „Nähme man noch jene ausländischen Mitbürger hinzu, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, würde der fiskalische Nutzen mit großer Wahrscheinlich noch höher ausfallen.“ Deutschland müsse ein „dauerhaft attraktives Einwanderungsland werden“, freut sich die Stiftung.

Zuviel Propaganda, um wahr zu sein. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß in dieser Bilanz lediglich die unmittelbaren Kosten wie Sozialhilfe oder Kindergeld mit den Steuern und Sozialabgaben von Ausländern verrechnet wurden. Bezieht man sämtliche Staatsausgaben ein, so käme auf jeden 2012 in Deutschland lebenden Ausländer ein stolzes Defizit von 79.100 Euro. Zum Vergleich: Auf jeden Deutschen – einschließlich Kinder und Rentner – kommt ein Staatsdefizit von lediglich 3.000 Euro.

Kürzere produktive Phase

Das alleine zeigt bereits, daß Deutsche auf einem ganz anderen Niveau einen „fiskalischen Nutzen“ erwirtschaften als die bei ihnen lebenden Ausländer. Konkrete Belastungen der Deutschen selbst werden in der Studie dagegen nicht berücksichtigt, wie sinkende Löhne durch ein Überangebot an Arbeitskräften oder steigende Mieten durch Wohnraumverknappung und dergleichen mehr. Schon an dieser Stelle wird also deutlich, daß an dem Nutzen der Masseneinwanderung zumindest ein großes Fragezeichen angefügt werden muß.

Aber auch sonst ist die Aussagekraft der Studie fragwürdig. Für Ausländer ist der dauerhafte, legale Aufenthalt in Deutschland für gewöhnlich von einem Beschäftigungsverhältnis abhängig. Auch ist für sie der Zugang zur Sozialhilfe zumindest formal restriktiv. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, wenn diese einen fiskalischen Überschuß erwirtschaften. Interessanter wäre es, Einwanderer mit deutschem Paß oder sonstigem, ungehindertem Zugriff auf den Sozialstaat zu betrachten.

Problematisch ist auch, daß die Studie Rentenversicherungbeiträge als Gewinn verbucht, da mit diesen künftige Ansprüche angehäuft werden. Wenn überwiegend junge Ausländer ohne Kinder nach Deutschland kommen, so ist es einleuchtend, daß diese zunächst einmal in die Rentenkasse einzahlen. Doch irgendwann müssen diese Ansprüche auch ausgezahlt werden. Und sei es in Form von Sozialhilfe, weil die eingezahlten Beiträge des Ausländers nicht für dessen Grundsicherung reichen. Das dürfte weitaus häufiger der Fall sein als bei Deutschen, wie aus der Studie selbst ersichtlich wird. Vergleicht man Deutsche und Ausländer nach Altersstufen, so ergibt sich ein ernüchterndes Bild. So sind Deutsche im Durchschnitt zwischen zwanzig und 65 Jahren Nettozahler, daß heißt, sie zahlen mehr an Steuern und Abgaben, als sie an Leistungen erhalten. Bei Ausländern dagegen liegt diese produktive Phase – bedingt durch Jugend- beziehungsweise Altersarbeitslosigkeit – nur zwischen dem 23. und 58. Lebensjahr.

Und was zwischen diesen Lebensjahren liegt, befindet sich auf einem erheblich niedrigeren Niveau. Aus der Sicht von Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger heißt das dann: „Gute Bildungspolitik ist die beste Integrationspolitik.“ Stattdessen läßt die Studie eigentlich nur einen vernünftigen Schluß zu: Statt Geld mit der Integration von Ausländern zu verpulvern, sollte dieses für Deutsche mit Kinderwunsch ausgegeben werden. Denn trotz Überalterung sind diese laut Studie mit 4.000 Euro pro Kopf noch immer erheblich produktiver als Ausländer. Das ist aber eine Werbebotschaft, die der Bertelsmann-Stiftung offensichtlich nicht gefallen hat.

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