© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Nichts außer Merkel
CDU: Vor ihrem Bundesparteitag in Köln präsentiert sich die Union mehr denn je als inhaltlich entkernter Kanzlerwahlverein
Paul Rosen

Die Bilanz ist dürftig, aber beste Stimmung und prachtvolle Ergebnisse sind garantiert, wenn die CDU-Delegierten am 9. Dezember in Köln zum Bundesparteitag zusammenkommen werden. Kanzlerin Angela Merkel beherrscht die Partei unangefochten. Erreichte das Wiederwahlergebnis für die Vorsitzende 2012 in Hannover mit 97,94 Prozent „kubanische Höhen“, so dürfte sich auch in Köln daran wenig ändern. Nur Konrad Adenauer war besser: Er holte 1954, 1956 und 1958 jeweils 100 Prozent der Delegiertenstimmen.

Dabei ist die Bilanz alles andere als prächtig: 2013 verlor die CDU die Regierung in Niedersachsen. Der Merkel-Partei ist in den Ländern längst Basis und Vertrauen entzogen worden: Hessen ist das einzige große Bundesland, in dem sie noch regiert. Ministerpräsidenten stellt die CDU noch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland. Möglicherweise ist zum Parteitagsbeginn in Thüringen die erste rot-rot-grüne Koalition unter Bodo Ramelow installiert worden.

Steuerpolitik zu Lasten niedriger Einkommen

Das wäre wie ein Zeichen an der Wand der Kölner Messehalle. Gesellschaftlich ist die Entwurzelung der einstigen Volkspartei in vollem Gange: Hatte die CDU 2001 noch 604.135 Mitglieder, so waren es Ende 2013 467.076. Das Durchschnittsalter der Mitglieder liegt bei über 60 Jahren. Alle Parteireformen konnten den Abstieg nicht verhindern.

Bei Lichte besehen ist Merkels Bilanz blamabel – auch die Bilanz der Regierungsarbeit. In der Außenpolitik schafft die Regierung keine Balance Deutschlands im Konzert der europäischen Mächte. Der scharfe antirussische Kurs bringt nichts, sondern kostet nur Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Das Wirtschaftswachstum ist marginal; trotzdem werden die Sozialversicherungen mit Mütterrente, Rente ab 63 und anderen Wohltaten belastet. Die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft wird durch Energiewende, Mietpreisbremse und Mindestlohn erprobt. Der Euro ist keineswegs gerettet, sondern das sich jetzt abzeichnende dritte Griechenland-Hilfspaket (zehn Milliarden Euro) ist erst der Anfang der kommenden Belastungen. Der Bundeshaushalt 2015 soll zwar ohne Neuverschuldung auskommen, aber in allen Expertisen wie zum Beispiel dem Jahrsgutachten der „Fünf Wirtschaftsweisen“ herrscht für die Zeit nach 2020 finanzpolitische Endzeitstimmung, unter anderem wegen der negativen demographischen Entwicklung, die auch durch die Masseneinwanderung gering qualifizierter Arbeitskräfte nicht ins Positive gedreht werden kann.

Auf dem Parteitag 2012 in Hannover schwor Merkel die CDU auf die Fortsetzung des schwarz-gelben Bündnisses in Berlin ein. Nach dem Ende der FDP wird von bürgerlichen Konstellationen in Köln keine Rede mehr sein. Merkel hat die CDU inzwischen so sozialdemokratisiert, daß Unterschiede zur SPD kaum noch erkennbar sind. Natürlich wird Merkel sich nicht an den großkoalitionären Partner SPD binden wie weiland an die FDP. Angesichts der in der SPD wachsenden Neigung zu Rot-Rot-Grün könnte sie versuchen, die schwarz-grüne Karte zu spielen. Die Koalition von CDU und Grünen in Hessen könnte Blaupause für die Bundesebene sein.

Das Diskussionspotential ist auf den Streit um den Antrag „C 1“ zusammengeschrumpft, in dem eine Entlastung bei der Einkommensteuer durch den Abbau der „kalten Progression“ gefordert wird. Die belastet die Steuerzahler mit niedrigen Einkommen von Jahr zu Jahr mit 2,5 Milliarden kumulativ – von 2015 bis zum Ende des derzeitigen Finanzplanungszeitraums summieren sich die Belastungen auf zehn Milliarden Euro. Die „schwarze Null“, auf die Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble so stolz sind, wird also überwiegend von den kleinen Leuten durch diese permanente Steuererhöhung bezahlt.

Einzig Gröhe und Spahn sorgen für Spannung

Dennoch sagt zum Beispiel der CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder: „Ich sehe keine finanziellen Spielräume für die Abschaffung der kalten Progression in dieser Legislaturperiode.“ Denkbar ist in Köln ein Kompromiß: Die Steuersenkung wird befürwortet, aber es wird kein Datum genannt.

Personell erregte im Vorfeld die angekündigte Kampfkandidatur zwischen Gesundheitsminister Hermann Gröhe und dem Sozialpolitiker Jens Spahn um einen Sitz im Parteipräsidium Aufmerksamkeit, während alle anderen Wahlen unstrittig und frei von Gegenkandidaten bleiben dürften. Gröhe war Merkels treuer Generalsekretär und steht für den großkoalitionären Klüngel. Spahn gibt sich jugendlich und kokettiert mit seiner homosexuellen Neigung. Seine Wahl wäre ein Blinken in die schwarz-grüne Richtung – für Merkel vielleicht noch etwas zu früh. Aber das schwarz-grüne Blinken würde am Gesamteindruck der CDU nichts ändern. Ihn zu beschreiben reichen zwei Wörter: größtenteils langweilig.

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