© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

„Elsasser sin mir, Elsasser bliewe mir“
Frankreich: Die umstrittene Regionalreform der sozialistischen Regierung treibt die Elsässer auf die Barrikaden
Friedrich-Thorsten Müller

Gerade einmal sieben Minuten dauert es, dann hatte der Senat entschieden, daß das heute aus zwei Departements bestehende Elsaß in einer willkürlich zusammengesetzten Region Elsaß-Lothringen-Champagne-Ardennen aufgehen wird. Die Mehrheit war verhältnismäßig knapp: 277 stimmten dafür, 253 dagegen.

Die mit neuen Kompetenzen ausgestattete Megaregion wird mit ihren 5,5 Millionen Einwohnern geographisch bis vor die Tore von Paris reichen. Nur ein schwaches Trostpflaster ist, daß Straßburg als Hauptstadt dieser neuen Verwaltungseinheit auserkoren wurde. Insgesamt ist diese Änderung Teil einer französischen Verwaltungsreform, die aus bisher 22 Regionen zukünftig 13 mit echten Kompetenzen in Bildung, Verkehrsplanung und Wirtschaftsförderung macht.

Die sozialistische Regierung verspricht sich von dieser neuen Verwaltungsgliederung nicht nur eine Überwindung des teilweise als lähmend empfundenen Zentralismus, sondern mittelfristig auch Verwaltungskosten-einsparungen von jährlich etwa 10 Milliarden Euro.

Die Elsässer lehnen diese Neuordnung mehrheitlich ab. Charles Buttner, der Präsident des Conseil Général du Haut-Rhin in Mülhausen, äußerte, sich dadurch „gedemütigt“ zu sehen. Dabei sah es lange danach aus, daß das Elsaß aufgrund seiner historisch gewachsenen Besonderheit einer alemannisch-deutschen Kultur und Minderheitensprache eine eigene Region bilden könnte.

Schließlich billigte Paris dies zwei anderen starken Regionalidentitäten, nämlich den Bretonen und den Korsen, ebenfalls zu. Noch bei der ersten Lesung des neuen Gesetzes in der Nationalversammlung im Juli stand das Elsaß darum als vierzehnte Region im Gesetzentwurf. Erst nach heftigen Debatten fiel Elsaß dann doch noch dem Rotstift der sozialistischen Mehrheit zum Opfer.

Da die meisten Elsässer lange mit einer eigenen Region rechneten und die Entscheidung dagegen mitten in den französischen Sommerferien fiel, konnte sich der Widerstand zunächst nur schleppend organisieren. Am 11. Oktober fand eine erste große Demonstration in Straßburg statt, mit bis zu 20.000 Teilnehmern. Gleichzeitig wurden 55.000 Unterschriften gegen den Zusammenschluß gesammelt.

Es sind insbesondere bürgerliche Politiker wie der bisherige Regionalpräsident Philippe Richert (UMP), die sich gegen den neuen Regionalzuschnitt und für ein eigenständiges Elsaß einsetzen. Richert war gleichwohl bereits im vergangenen Jahr mit seinem Projekt, über den Weg eines Referendums die zwei elsässischen Departements zu einem einzigen zusammenzufassen gescheitert. Dazu kam es unter anderem auch, da sich der im Elsaß starke Front National massiv gegen die Fusion aussprach und dabei Ängste vor einer Regermanisierung bediente.

Am stärksten profitieren könnten von der unglücklichen Reform Autonomisten, die sich in der 2009 gegründeten Regionalpartei „Unser Land“ organisieren. Bisher konnte sich diese nur in Listenverbindungen mit den Grünen behaupten. Sie verfügt lediglich über elf Gemeinderäte und keine Vertreter in höheren Parlamenten und Räten. Ihrem Demonstrationsaufruf am vergangenen Sonntag in Colmar folgten unter dem Motto „Elsasser sin mir, Elsasser bliewe mir“ immerhin 4.000 Bürger, obwohl der Protest für illegal erklärt worden war. Die identitären Aktivisten von „Unser Land“ kündigten an, den Kampf fortzuführen.

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