© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

CD-Kritik: Carl Loewe
Das Leben als Uhr
Sebastian Hennig

Carl Loewes romantische Gesänge sind frei von Weltschmerz. Anstelle der Überspannung herrscht Ausgeglichenheit. Während in der „Winterreise“ bedauert wird, daß das Leben noch nicht vorbei und das Haar nur vom Schnee weiß sei, wird hier nach Versen von Johann Gabriel Seidl das Menschenleben als der Gang einer „Uhr“ beschrieben, deren Uhrmacher der Allmächtige ist.

Schon als Kronprinz zeigte sich Friedrich Wilhelm IV., der „Romantiker auf dem Thron“, dem Komponisten zugetan. Loewe hatte „dem kunstsinnigen Fürsten (…) Balladen vorzutragen. Er gewann sie bald so lieb, daß er mich oft an seinen Hof befahl. Einmal mußte ich acht Tage in Potsdam bleiben und des Abends vor ihm singen.“

Die neue Einspielung von dreizehn ausgewählten Liedern und Balladen Carl Loewes ist bis zum Äußersten theatralisch bewegt. Roman Trekel wird zu einem „Zauberlehrling“, dem vor Erschrecken fast die Stimme zu entgleisen droht. Doch das ist so sicher gespielt, wie die Schlichtheit Loewes höchst kunstvoll und keinesfalls der Ausfluß eines simplen Gemüts ist. Daniel Heide gibt am Klavier jeglicher Emphase sicheren Halt. Es klingt wie von einem Wesen. Als wäre der alte Loewe selbst über den Tasten und sänge dazu. Da es von einem 1869 Gestorbenen keine Grammophonplatte geben kann, läßt es sich um so besser vorstellen.

Carl Loewe Lieder & Balladen CAvi-music, 2014 www.avi-music.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen