© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Amerika beginnt gleich hinter Berlin. In Potsdam, wenige Schritte westlich der Glienicker Brücke, wo gerade Steven Spielberg mit Tom Hanks den Spionage-Thriller „St. James Place“ dreht, liegt die von Ludwig Persius entworfene Villa Schöningen. Diese weist eine wechselvolle Geschichte auf: Vom Adel ging sie über an einen jüdischen Mitgründer der Deutschen Bank, wurde von den Nationalsozialisten genutzt, von der Roten Armee als Lazarett requiriert und schließlich in ein DDR-Kinderwochenheim umfunktioniert. Nach dem Mauerfall beinahe abgerissen, erwarb sie Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Verlagshauses Springer.

Zum fünfjährigen Jubiläum wird dort die Schau „Californian Rhapsody“ aus der Sammlung Falckenberg gezeigt, Untertitel: „Get in, get rich, get out“ (bis 15. März 2015). Hausherr Döpfner begrüßt den US-Botschafter John B. Emerson nachdrücklich als „unseren Botschafter“ – versichernd, daß es kein Versprecher sei. Emerson dankt und schließt seine Rede sichtlich „satisfied“ mit den Worten: „Mission accomplished“.

Fortsetzung findet dieses Bild auf der Veranda. Dort brüstet sich der linksautonome Superstar der deutschen Malerei, Daniel Richter, einer der teuersten deutschen Gegenwartskünstler, vor dem halben Dutzend Leute, das an seinen Lippen hängt. „Meisterschüler“ oder ein „Abschluß“: Das sei alles Quatsch, völlig wertfrei. Zur Beglaubigung seiner Haltung prahlt Richter von der Abschlußarbeit eines Kurses während seines Kunststudiums, als er sich einfach erbrochen habe und das Ergebnis als hingekotztes „Brandenburger Tor“ eingereicht habe. Auf die ungläubigen Blicke der Umstehenden erklärt er, das sei total simpel, irgendwas mit innerem Schuldkomplex vortragen – und fertig sei das Werk. Bemerkenswert ist auch der Sanitärbereich der Villa im Untergeschoß: verspiegelte Toilettentüren und schwarzes Toilettenpapier.

Im Postbahnhof am Berliner Osbahnhof beendet die Band Pankow ihre Tournee. Auf dem Konzert treffe ich den Regisseur Andreas Dresen und die Autoren Christoph Dieckmann sowie Alexander Osang, der (anstelle einer Pankow-Monographie) nun den Roman „Comeback“ über die fiktive Band „Die Steine“ veröffentlicht (März 2015). Auf dem Heimweg begegnet mir ein Plakat der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Frakturschrift mit der Losung „Ach Volk / du obermieses“. Zu Hause, am Ausgang des U-Bahnhofs, trägt ein Typ seinen neuesten Slogan vor, der auf: „ ... is German“ endet. Darauf dessen Begleiter: „Vergiß es, das bringt’s nicht.“

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