© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Frisch gepresst

Im Zwischenreich. Wer mit der historischen Epoche zwischen dem Ende des Ersten und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges immer noch vornehmlich „Goldene Zwanziger“ assoziiert, sollte die Kulturgeschichte über diese „zerrissenen Jahre“ zur Hand nehmen, die Philipp Blom jetzt vorgelegt hat. Aus dem von ihm vermittelten internationalen Vergleich der Gesellschaftszustände zwischen Washington und Moskau lernt man in erster Linie, in welchem Ausmaß die Armut das Leben der meisten Menschen diktierte. Denn auch ohne die im Oktober 1929 durch den Zusammenbruch der New Yorker Börse ausgelöste Weltwirtschaftskrise sahen sich selbst die Unter- und Mittelschichten der Siegerstaaten von 1918, England und die USA, permanent von „großer Depression“ bedroht, während „Orientierungslosigkeit und innere Leere“ die angelsächsische Oberschicht im Sumpf hohler Vergnügungen versinken ließen. Besonders diese kleinteiligen Sittenporträts, die einladen, Parallelen zur Gegenwart zu ziehen und die Schattenseiten des hierzulande vergötterten „Westens“ zu betrachten, empfehlen Bloms Werk als bestes Stück Aufklärung. (wm)

Philipp Blom: Die zerrissenen Jahre. 1918–1938. Carl Hanser Verlag, München 2014, gebunden, 572 Seiten, Abbildungen, 27,90 Euro

 

Schlesien. Es reichte notgedrungen nur für eine kurze Liebelei, als es den Chefdramaturgen Hugo Hartung in den dreißiger Jahren ans Breslauer Theater verschlug. Schnell lernte der Norddeutsche Land und Leute an der Oder kennen und schätzen, um in der schlesischen Hauptstadt den Untergang 1945 hautnah mitzuerleben. Als die schon zuvor vielen Deutschen eher unbekannte Provinz hinter dem Eisernen Vorhang endgültig im dunklen und verborgenen verschwand und ihre Landeskinder durch Flucht und Vertreibung in alle Winde verstreut waren, veröffentlichte der mit seiner Erzählung „Ich denke oft an Piroschka“ zur Berühmtheit gelangte Hartung seine Liebeserklärung an Schlesien. Nun liegt eine Neuauflage seines teilweise tiefgründigen Porträts von 1970 vor, in dem der „Wahlschlesier“ die einst zwischen Grünberg und Ratibor gewachsene reizvolle Verbindung aus südlicher, „aus dem Österreichischen stammender barocker Lebensfülle“ und der protestantisch-preußischen Strenge preist. (bä)

Hugo Hartung: Deutschland deine Schlesier. Rübezahls unruhige Kinder, Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2014, broschiert, 182 Seiten, 16,80 Euro

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