© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

„Im Moment stellt sich die Frage nicht“
CDU: Auf dem Kölner Parteitag der Union rücken angesichts der AfD-Haltung zu Rußland selbst Konservative von einer möglichen Zusammenarbeit ab
Hinrich Rohbohm

Es ist eine Steilvorlage, die für die Kanzlerin zur rechten Zeit kommt. Auf dem CDU-Bundesparteitag in Köln wählt Angela Merkel für ihre Verhältnisse ungewohnt deutliche Worte für ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner. „Wieviel kleiner will die SPD sich eigentlich noch machen?“ ruft sie vor dem Hintergrund der Wahl von Bodo Ramelow (Linkspartei) zum Ministerpräsidenten von Thüringen.

Donnernder Applaus in der Kölner Messehalle, der weit über das übliche Höflichkeitsklatschen hinausgeht. Merkel, von der es heißt, sie habe am Abend zuvor noch einen Schwächeanfall erlitten, hat bei der Unionsbasis einen Nerv getroffen. Ihre überraschend kämpferisch gehaltene Rede ist nach dem Geschmack der Basis. Angesichts der in Erfurt gebildeten rot-rot-grünen Koalition spricht sie von einer „Bankrotterklärung“ der SPD. „Nur eine starke Union wird 2017 Rot-Rot-Grün unmöglich machen“, ruft sie in das Plenum. Eine Aussage, die offenbart, wie sehr Merkel trotz gegenteiliger Gerüchte und eigenem Schweigen an einer erneuten Kandidatur auch für die nächste Legislaturperiode arbeitet. Allerdings deutet vieles darauf hin, daß die CDU-Chefin ihren Koalitionspartner dann erneut wechseln wird. „Wir wären bereit gewesen, ein Bündnis mit den Grünen zu wagen“, verrät Merkel den 1.000 Delegierten rückblickend auf die Koalitionsverhandlungen des vergangenen Jahres. Und fügt an: „Einige Grüne waren es nicht, schade drum.“ Nicht zuletzt die Versuche von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, die Union „bunter“ zu machen, sind ein Indiz dafür, daß die Weichen für 2017 auf Schwarz-Grün gestellt werden sollen.

„Wir hatten denen den roten Teppich ausgerollt und sind ihnen weitestmöglich entgegengekommen, erinnert sich ein Delegierter daran, daß es, wenn es nach der Union gegangen wäre, schon in dieser Legislaturperiode eine schwarz-grüne Koalition gegeben hätte. Auch wenn Merkel auf dem Parteitag noch einmal betont, daß die FDP nach wie vor der natürliche Koalitionspartner der Union sei.

Ostverbände liebäugeln mit einer Zusammenarbeit

Die AfD hingegen wird von ihr nicht erwähnt. Sympathisanten einer langfristig möglichen schwarz-blauen Zusammenarbeit oder einer Bahamas-Koalition mit der FDP sind angesichts der Annäherungen von AfD-Funktionären an Rußland spürbar auf Distanz gegangen. „In unseren Ortsverbänden gibt es nicht wenige, die durchaus Schnittmengen mit der AfD sehen“, meint ein hessischer Delegierter. Aber: „Die Kreml-Propaganda von Alexander Gauland geht überhaupt nicht.“ Auch unter Konservativen CDUlern habe dessen „Hofieren von Putin“ für Kopfschütteln gesorgt.

Daß sehen inzwischen auch jene Unionisten so, die sich bisher nicht daran beteiligt haben, die neue Partei in die rechtsradikale Ecke zu schieben. „Wenn es stimmt, daß sich der Bundesgeschäftsführer und der Pressesprecher der AfD von der russischen Botschaft haben einladen oder gar beraten lassen, dann ist diese Partei kein vertrauensvoller Gesprächspartner“, sagte ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen der JUNGEN FREIHEIT, den zudem ein „respektloser Umgang zwischen den Funktionären der Alternative für Deutschland stört. „Wie soll man denn mit solchen Amokläufern gemeinsam regieren, die dazu noch unser westliches Bündnis in Frage stellen?“

In den CDU-Landesverbänden der östlichen Bundesländer liebäugeln zwar durchaus Christdemokraten mit einer Zusammenarbeit mit der AfD. Die gehen inzwischen jedoch auf Tauchstation. „Im Moment stellt sich diese Frage ja nicht“, heißt es ausweichend. Und: „Erst mal müssen wir doch sehen, wie sich die AfD weiter entwickelt.“

Wie stark die Unionsbasis eine Verurteilung der russischen Annexion der Krim befürwortet, zeigt Merkels Rede auf. Als die 60jährige davon spricht, daß die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine nicht folgenlos bleiben dürfe, brandet ebenso starker Beifall auf wie bei ihrer Kritik an der Hogesa-Demonstration in Köln Ende Oktober. Egal ob Gewalttaten von religiösen Extremisten, von links oder von rechts verübt würden: „Wir werden immer an der Seite der Polizistinnen und Polizisten stehen.“ Die Delegierten honorieren die ungewohnt klaren Positionierungen der Kanzlerin mit zehn Minuten andauerndem Beifall und einer Wiederwahl mit 96,42 Prozent der Stimmen.

 

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