© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Der Streit zwischen Online und Print bleibt
„Der Spiegel“: Selten wurde ein Chefredakteur so garstig davongejagt wie Wolfgang Büchner
Ronald Berthold

Eine Woche drückte sich der Spiegel, der sonst so gern Vorabmeldungen in die Medienwelt verschickt, darum, eine Nachricht in eigener Sache zu veröffentlichen: die Entlassung des Chefredakteurs. Bereits am Mittwoch vorvergangener Woche teilte die Verlagsleitung Wolfgang Büchner mit, daß seine Zeit beim Nachrichtenmagazin vorbei sei. Einen Tag später meldete sich der 48jährige krank. Weniger der Verlust des Arbeitsplatzes als vielmehr das permanente Mobben durch die Untergebenen war dem Mann wohl auf die Gesundheit geschlagen.

Wieder einmal verließen das Hamburger Blatt alle journalistischen Instinkte. Denn daß es gelingt, diese brisante Personalie in der geschwätzigen Branche unter der Decke zu halten, konnten die Hamburger nicht ernsthaft annehmen. Und so häuften sich die Spekulationen in den Medien, daß der Spiegel Büchner den Stuhl vor die Tür gesetzt habe. Der Verlag reagierte die Woche über mit Dementis, um dann acht Tage später letztlich doch zu vermelden, was die Spatzen bereits lange von den Dächern pfiffen.

Und selbst diese Nachricht kam skurril daher. Ausgerechnet Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe, der gleich mit gefeuert wurde, mußte das Büchner-Aus verkünden. Dieser habe, so formulierte er, das Blatt „erfolgreich weiterentwickelt“. Für „sein großes Engagement danke ich ihm herzlich“, schrieb Saffe. Die Ich-Form läßt aufhorchen. Normalerweise dankt der Verlag dem Ausgeschiedenen und benutzt das Wir. Weiter hieß es dann, auch der 53jährige Geschäftsführer werde „sein Amt niederlegen“.

Selbst dieser Abschiedsgruß war also noch vergiftet, demonstriert aber immerhin eine gewisse Ehrlichkeit. Denn die Ansicht, daß Büchner „erfolgreich“ gearbeitet habe, vertritt Saffe beim Spiegel ziemlich exklusiv. Bis zuletzt hielt er an dem von der selbstverliebten Redaktion gehaßten Chefredakteur fest. Das wurde ihm nun selbst zum Verhängnis.

Nur etwas mehr als ein Jahr saß Büchner auf dem Chefsessel. Und genauso lange feindete ihn seine Truppe an. Die Akteure blockierten sich gegenseitig, verloren den gemeinsamen Erfolg aus den Augen und machten letztlich fast nur noch genauso negative Schlagzeilen wie der in derselben Stadt beheimatete Hamburger SV – nämlich mit internen Querelen. Vordergründig ging es bei dem Streit um die Verzahnung von Print und Online. Doch der Konflikt wäre niemals so eskaliert, hätten nicht persönliche Animositäten das Betriebsklima zerstört. Büchner, der auch noch den Bild-Mann Nikolaus Blome mitgebracht hatte, fehle der Stallgeruch, er sei „keiner von uns“, meckerten die meisten: zuwenig links, zu betriebswirtschaftlich.

Für die Redaktion ergriff Cordt Schnibben das Wort. Die Abrechnung des Reporters mit Büchner hat es in sich: Er sei der „falsche Mann am falschen Ort gewesen“, habe nicht als Inspirator gewirkt, sondern Irrsinn produziert und ihn, Schnibben, regelmäßig „in die Tischkante beißen lassen“.

Wurde Giovanni di Lorenzo absichtlich „vergrault“?

Bei der auch öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung fällt auf, daß niemand Büchner vorwarf, die verkaufte Auflage des Spiegel in seiner Amtszeit um 50.000 heruntergewirtschaftet zu haben. Das nahm die Mannschaft in Zeiten der Pressekrise offenbar als gottgegeben hin. Die Print-Redaktion wehrte sich vielmehr gegen die Kooperation mit den Onlinern, fürchtete um eigene Pfründe wie die Mitbestimmung, übersah dabei aber, daß Büchner genau dafür geholt worden war. Er sollte das Blatt mit dem Projekt „Spiegel 3.0“ zukunftsfähig machen, den Druck des Internets vom gedruckten Spiegel nehmen und gemeinsame Einnahmen generieren.

Saffe stärkte Büchner den Rücken und nahm in Kauf, daß dieser bereits im Sommer entmachtet wurde. Von der Produktion mußte er sich seitdem fernhalten. Ein Chefredakteur, der nicht sein eigenes Blatt machen darf – das gab es nur beim Spiegel. Das war ein Abruf auf Raten. Insofern überrascht der jetzt vollzogene Schritt niemanden mehr. Die Redaktion bekam auch ihren Willen, und so leitet Spiegel-Urgestein Klaus Brinkbäumer gemeinsam mit Ex-Vize Clemens Höges interimistisch das Magazin. „In Kürze“ will der Verlag die Nachfolge Büchners und wohl auch Saffes endgültig entscheiden. Bereits im Oktober soll es dazu Gespräche mit dem Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo gegeben haben. Alles sei in trockenen Tüchern gewesen, schreibt das Medienmagazin Horizont. Nach einem Gespräch mit dem Eigentümer-Erben Jakob Augstein habe di Lorenzo aber seine Zusage zurückgezogen. Es wird berichtet, Augstein habe ihn „vergrault“.

Dem Verleger des Wochenblattes Freitag (Auflage: 17.500), der zuletzt vor allem durch antideutsche Kommentare für Aufsehen sorgte, werden selbst Ambitionen auf den Posten nachgesagt. Der linksgestrickten Redaktion stünde der von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein angenommene Sohn sicherlich nicht nur wegen des Namens näher. Ob er aber mit seiner antifaschistischen Ausrichtung ein Massenblatt zum Erfolg führen kann, erscheint unwahrscheinlich.

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