© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Hitler und der Reichsgründer-Mythos: Eine weitere Wehler-These auf dem Prüfstand
Auf Distanz zu Bismarck bedacht
(wm)

Wie die übrigen rechten Republikgegner brachte auch die NS-Agitation Otto von Bismarck gern als „Sturmgeschütz gegen die Demokratie“ von Weimar in Stellung. Doch im Unterschied zur deutschnationalen DNVP, so arbeitet Christoph Nübel in seiner Studie über den „Bismarck-Mythos in den Reden und Schriften Hitlers“ (Historische Zeitschrift, 298/2014) heraus, orientierte sich der „Führer“ zur Bewältigung politischer Gegenwartsprobleme keineswegs an der Vergangenheit. Dies habe die ältere Forschung mit ihrer durch Hans-Ulrich Wehler populär gemachten These ignoriert, wonach Hitler sich als der „zweite Bismarck“, mindestens aber als legitimer Erbe des „Eisernen Kanzlers“ inszeniert habe. Richtig sei vielmehr, daß zwar auch die NS-Propaganda die nach 1918 virulente „Führersehnsucht“ mit dem Reichsgründer verband. Tatsächlich aber sei es Hitler um eine ganz andere Politik gegangen, die sich mit dem etablierten Bismarck-Mythos nicht legitimieren ließ. Darum entwickelte er eine eigenständige Deutung, die sich nicht scheute, die Grenzen von Bismarcks Wirken aufzuzeigen. So ging sein vermeintlicher „Erbe“ auf Distanz zu Bismarck und vermittelte, daß dessen Mythos, anders als die NS-Ideologie, keine politische Botschaft mehr enthielt, um den Herausforderungen der deutschen Nachkriegszeit gewachsen zu sein.

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