© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Preußen, ein Kinderspiel
Königin Luise, die Friedrichs, Herr von Ribbeck und Alexander von Humboldt, alle sind sie da: im Preußen-Mitmach-Buch
Mina Buts

Gab es Luise die Lispelnde wirklich? Oder vielleicht eher Otto mit dem Pfeil? Malen soll man die beiden jedenfalls in der „Ahnengalerie von Königen und Königinnen“. Und was war eigentlich ein „langer Kerl“? Zum Ausmalen, Ausschneiden und Aufstellen gibt es auch ihn im „Großen Preußenbuch für Kinder“. Die „langen Kerls“ gab es wirklich. Sie waren die Potsdamer Leibgarde des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I., der zwar den Beinamen „Soldatenkönig“ trug, aber niemals einen Krieg geführt hat. Auch Sophie Charlotte kann ausgemalt werden. Das Champagnerglas, den Sonnenschirm und ihre schönen Ballkleider soll jeder nach seiner Façon gestalten, ausschneiden und ihr dann anheften. Nebenbei erfährt man, daß sie die Großmutter des „Alten Fritzen“, sehr klug und gebildet und außerdem Tanz und Musik sehr zugetan war. Schloß Charlottenburg, immerhin das größte noch erhaltene Schloß der Preußen in Berlin, ist nach ihr benannt.

Was die Kleinsten magisch anzieht: eine Geheimschrift!

Und wie weit war es eigentlich von Nimmersatt, „wo das Reich ein Ende hat“, bis in die Rheinprovinz? Nimmersatt war der nördlichste Ort in Ostpreußen, wo das preußische Reich seine Grenze hatte. Auf der abgedruckten Karte läßt sich deutlich erkennen, wie groß Preußen einmal gewesen ist. Aber – auch das erfährt der Leser – es ist dennoch kleiner als das heutige Deutschland. Mit dem Finger kann man der Fregatte „Markgraf von Brandenburg“ folgen, die zur preußischen Festung „Groß Friedrichsburg“ aufbricht. Aber wer weiß noch, daß diese Hafenstadt, 1683 gegründet und Anfang des 18. Jahrhunderts wieder verkauft, im heutigen Ghana lag?

Alle großen und kleinen Leser werden auch als „Kanoniere“ geprüft und sollen die Fragen nach den Fachbegriffen dazu richtig beantworten. Zehn Männer waren übrigens nötig, um eine solche Kanone um 1700 zu bedienen, sechs Pferde brauchte man, um sie fortzubewegen. Und eine einzige Kanonenkugel wog sechs Pfund! Natürlich darf in einem Preußenbuch für Kinder der Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland („ein Birnbaum in seinem Garten stand“) nicht fehlen; jeder ist aufgefordert, das Fontane-Gedicht zu ergänzen und die Früchte im Baum zu zählen. Klar bleiben auch die Kartoffeln, die der „Alte Fritz“ in Preußen einführte, nicht unerwähnt, und jedem wird aufgetragen, sein Lieblings-Kartoffelgericht zu benennen. Sogar die Pommes frites können darunter sein. Französisch schätzte der König ohnehin mehr als Deutsch.

Die Einführung der Schulpflicht ist übrigens auch eine preußische und mittlerweile schon fast 300 Jahre alte Erfindung. In unserem Buch schreibt eine Schülerin an die Tafel „Der Lehrer hat immer recht“, in Schreibschrift. Und weil diese damals selbstverständlich noch Sütterlin war und das heute kaum noch jemand lesen kann, ist es natürlich die perfekte Geheimschrift. Ein elektrisierendes Stichwort für Schulkinder! Eine Sütterlinschreibtabelle wird gleich mitgeliefert – leider ist diese nicht ganz fehlerfrei.

Ob Biche, Alcmene und Superbe, die Windspielhunde des „Alten Fritz“, Hunger haben und Hilfe bei ihrem Weg zum Freßnapf brauchen, der Berliner Dom mittels Malquadraten vergrößert werden soll, der Naturforscher Alexander von Humboldt Schmetterlinge erkundet und dabei auf Mithilfe angewiesen ist oder die Papiertapeten in Königin Luises Lieblingsschloß Paretz bei Potsdam ergänzt werden wollen – das „große Preußenbuch für Kinder“ lädt zum Mitmachen ein, ist wunderbar abwechslungsreich gestaltet, daneben auch sehr lehrreich.

Illustriert und geschrieben wurde das Buch von Claas Janssen, Jahrgang 1963, unter der Mitarbeit von Robert Zagolla. Die cartoonhaften, oft krakeligen und auch witzigen Zeichnungen sorgen dafür, daß Preußen herrlich erfrischend lebendig wird. Wenn Sophie Charlotte zum Beispiel auf dem Boden lauter Frauenzeitschriften mit so klangvollen Titeln wie Pferde, Mode Royal oder Schnelle Kutsche verteilt hat: Da wirkt Preußen auf einmal überhaupt nicht mehr altmodisch oder vergessen. Ach ja, und eine lispelnde Luise gab’s zwar nicht, aber Otto mit dem Pfeil schon.

Claas Janssen: Das große Preußen-Buch für Kinder. Mal- und Rätselspaß rund um den Alten Fritz & Co. Be.bra-Verlag, Berlin 2014, broschiert, 64 Seiten, 9,95 Euro

Foto: Mit dem großen König in Sanssouci die Hunde ausführen oder einen Liebesbrief an Luise schreiben: Wenn Kinder nach der Lektüre ausrufen: „Lieber Friedrich, steig hernieder, und regiere Preußen wieder!“, war’s definitiv der richtige Tip!

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