© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

Die „Mischpoke“ macht weiter
Pegida: Trotz scharfen politischen Gegenwinds ziehen wieder Tausende Demonstranten durch Dresden
Lion Edler

Alle Warnungen, Belehrungen und Beschimpfungen waren umsonst. Die Demonstrationen von Pegida („Patriotische Europäischer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) seien eine „Schande für Deutschland“, schimpfte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). In Deutschland sei „kein Platz für Hetze“, mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel im deckungsgleichen Tonfall. Vergebens: Das Bündnis, das sich unter anderem für die konsequente Anwendung des Asylrechts und für eine Einwanderungspolitik nach kanadischem Vorbild einsetzt, bekommt weiter rasanten Zulauf.

Nach Polizeiangaben kamen am Montag über 15.000 Teilnehmer zum „Abendspaziergang“ nach Dresden – rund 5.000 mehr als in der Vorwoche. Dagegen zählte die Polizei bei den Gegendemonstranten etwa 5.600 Teilnehmer, nachdem in der vergangenen Woche schätzungsweise 9.000 gekommen waren. Dabei hatten unter anderem die SPD, die Grünen, die Linkspartei und die Dresdner Kirchen die Gegendemonstration unterstützt. Sie werfen Pegida Islamfeindlichkeit vor, obwohl sich die Organisatoren der Demonstration immer wieder von einer Stimmungsmache gegen Muslime distanziert haben.

Was sind das also für Spitzbuben, die die Ermahnungen der Kanzlerin so keß mißachten? Einer von ihnen ist Lutz Wagner, der extra für Pegida von Berlin in die sächsische Landeshauptstadt gereist ist. Die erhobenen Zeigefinger aus der Politik haben den Pegida-Anhänger nur noch mehr motiviert: „Wenn Herr Oppermann und Frau Merkel warnen, dann muß es ja gut sein“, sagt er. Ihn habe nicht die Furcht vor dem Islam nach Dresden geführt. Stattdessen verlangt Wagner eine „rechtlich klar formulierte und dann umgesetzte Einwanderungspolitik“. Es müsse endlich eine Differenzierung zwischen Asylbewerbern, Einwanderern und Flüchtlingen stattfinden. Pauschale Feindseligkeit gegen Moslems? Lutz Wagner versteht den Vorwurf nicht. „Sie können sich die Transparente anschauen, Sie können sich die Reden anhören!“

Auch eine dreiköpfige Reisegruppe, die ebenfalls aus Berlin kommt und deren Teilnehmer ihre Namen nicht nennen wollen, äußert sich vor allem über die Asyl- und Einwanderungspolitik. Nachdem das Trio schon einmal die Pegida-Demonstration besuchte, wollte es aus beruflichen Grünen eigentlich nicht noch einmal anreisen. Doch wegen der „Verunglimpfung von so vielen Menschen“, die von Politikern wie dem Grünen-Chef Cem Özdemir betrieben worden sei, habe man sich doch noch einmal aufgerafft. Özdemir hatte vergangene Woche in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ gewettert, bei Pegida handele es sich um eine „komische Mischpoke“. Doch die Entgleisungen wurden zum Eigentor – ein Pegida-Schild bringt die Trotzreaktion der Demonstranten auf den Punkt: „Ich bin eine Mischpoke, habe aber Rückgrat.“

Bachmann mit schußsicherer Weste

Teilnehmer tragen Transparente mit Aufschriften wie „Frieden mit Rußland“ oder „Lügenpresse – Lügensystem – Skandal“. Zwischen schwarzrotgoldenen Lampions und Flaggen mischen sich Schilder mit Friedenstauben.

Und immer wieder ertönen zwei Sprechchöre: „Wir sind das Volk!“ und „Lü-gen-pres-se!“ Doch trotz dieser Wut ist die Atmosphäre friedlich, beinahe ungewöhnlich still für eine Demonstration. Auch AfD-Vizeschef Alexander Gauland, der mit seiner Fraktion aus Potsdam angereist war, um sich ein eigenes Bild von Pegida zu machen, sah vor Ort ein entspanntes Klima: „Eine ganz normale Kundgebung von Menschen, die mit manchen Dingen in der Republik unzufrieden sind. Ich habe keine Chaoten, keine Nazis in Nadelstreifen gesehen. Und Aggressionen habe ich auch nicht gespürt“, sagte der AfD-Fraktionschef von Brandenburg.

Nicht aggressiv, sondern eher launig ist auch der aus Zwickau angereiste Herr Müller. „Da haben se die ganzen Warmduscher rangeschafft!“, ätzt Müller über die Gegendemonstranten. Doch diese Pegida-Gegner seien ohnehin überwiegend „Bonzen“ aus der „Nomenklatura“. In der DDR habe er als Kraftfahrer gearbeitet und sein Ohr immer am Volk gehabt – nun spüre er, daß das Volk in ähnlicher Weise in Bewegung gerate wie 1989. Und die kriminelle Vergangenheit des Pegida-Chefs Lutz Bachmann? Die kritisierten Bemerkungen einzelner Pegida-Organisatoren? Müller will diese Dinge nicht zu hoch hängen. „Mag ja sein“, sagt Müller. Letztendlich komme es doch aber auf den Inhalt der Demonstration an. Wieder redet sich Müller über die Einwanderungspolitik in Rage. „Das wird zuviel – schon die Grenzöffnungen!“ Die Politiker, die über Pegida schimpften, findet Müller „rotzefrech“. Und die Medien? „Es wird alles so ein bißchen vermauschelt, verdreht.“

Lutz Bachmann, der Pegida-Wortführer, steht unterdessen auf der Bühne. Unter der Jacke trägt er eine schußsichere Weste. Er appelliert an die Demonstranten, den Heimweg unbedingt in Gruppen anzutreten. Es seien leider „gewisse Leute“ unterwegs, deutet er an und meint gewaltbereite Linksextremisten. Auch am kommenden Montag wollen Bachmann und seine Unterstützer wieder demonstrieren – dann sollen Weihnachtslieder gesungen werden. Doch Bachmanns Worte gehen unter, als die Menge die Nationalhymne anstimmt.

Foto: Demonstranten am Montag beim „Spaziergang“ durch Dresden: Entspannte Stimmung unter den rund 15.000 Teilnehmern

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