© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

CD-Kritik: Schuberts Winterreise
Nebensonnen
Jens Knorr

Diese „Winterreise“ nimmt Bedrohung und Bedrückung des Schubertschen Wanderers in die vier Wände hinein, in denen gemeinhin Hausmusik stattfindet. Daniel Behle hält seine Bearbeitung für Klaviertrio gleich fern von der Neukomposition Reiner Bredemeyers und der Überschreibung Hans Zenders. Eher stellt er sie in die Tradition von Schubert-Arrangements aus dem 19. Jahrhundert: Mit Vor- und Rückverweisen, Akzentuierungen von ohnehin angelegten Akzenten, klanglichen Verfärbungen umspielen Violine und Cello den Klavier- und den Gesangspart, die weitgehend original belassen sind. Weil der Komponist Behle die Zustände nicht notieren will, in die der Wanderer geworfen ist, werden dem Tenor Behle die Haltungen des Wanderers unter der Hand zu privaten Zuständen und, um diese auszudrücken, Instrumentalisten vorgeschickt.

Die originale Klavierfassung des Zyklus hat Behle gleich mit eingesungen. Dem Anspruch der Komposition, von einer Persönlichkeit, die sowohl dissoziiert als auch ihre Dissoziation reflektiert, immer so zu singen, daß sich die Persönlichkeit des Darstellenden nicht vor die des Darzustellenden drängt und auch nicht in ihr verschwindet, weicht der Blick des Sängers noch aus. „Gewinnt das Ego“, sagt Behle, „verliert der Vortrag.“ Kann der Vortrag gewinnen, wenn es ihm die Komposition nur einfach macht?

Franz Schubert, Winterreise(n) Sony Classical, 2014 www.sonymusic-classical.ch  www.danielbehle.de

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