© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

Umwelt
Erst fressen, dann Moral
Heiko Urbanzyk

Der globale Klimaschutz, den sich der hysterische Mainstream wünscht, kommt nicht aus den Puschen. Die Staatengemeinschaft will sich nicht auf weltweit verbindliche Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes einigen. Die Völkerrechtsmuffel sind diesmal nicht wie gewohnt die USA, Rußland und Israel, sondern Indien, China und Brasilien.

Die Sache ist ganz einfach. Diese Schwellenländer im wirtschaftlichen Aufwind stoßen CO2 aus wie verrückt. Sie sind derzeit die Klimasünder. Aber die Menschen dort sind vergleichsweise arm, und echte Armut mit schmerzendem Hunger verträgt sich nicht mit Interesse an Umweltthemen. Diese Staaten durchlaufen dieselbe Entwicklungskurve wie einst die „westliche Welt“: mit dem wachsenden Wohlstand ebenso wie mit den Umweltsünden.

Die deutsche Energie­wende taugt nicht als Blaupause für die Bric-Staaten.

„In der Tat machen die aufstrebenden Staaten Asiens derzeit keine Anstalten, von der vorgezeichneten Entwicklungskurve wesentlich abzuweichen“, meint auch der Berliner Wissenschaftsjournalist Sven Titz in Internationale Politik (5/14). Weil der große Klimawurf ausbleibe, setzt sich ihm zufolge ein Klimapragmatismus durch. Experten versuchen „die Notwendigkeit klimapolitischer Maßnahmen mit dem globalen Wirtschaftwachstum zu versöhnen“. Es werde zunehmend als unumstößlich akzeptiert, daß vor dem Umweltschutz durch technischen Fortschritt der Wohlstand der aufstrebenden Staaten komme.

Zu etwas anderem werden sich Atommächte wie China und Indien oder unser Hauptfuttermittellieferant Brasilien (also die Bric-Staaten) sowieso nicht zwingen lassen. Für sie müssen die gutgenährten Europäer mit dem goldenen Klimakalb wirken wie der kettenrauchende Opa, der vor der Schädlichkeit von Nikotin warnt. Laut Titz tauge die deutsche Energiewende nicht als Blaupause für diese Länder, sondern werde von Klimapragmatikern skeptisch gesehen.

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