© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/15 / 02. Januar 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„House of Cards“ an der Spree
Marcus Schmidt

Vielleicht haben der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann und andere führende Sozialdemokraten die Feiertage genutzt, um über die Vorzüge eines Endes mit Schrecken nachzudenken. Denn das Gegenteil, nämlich ein Schrecken ohne absehbares Ende, könnte der Partei in den nächsten Wochen drohen.

Zu verdanken hat die SPD dies Sebastian Edathy. Seit der über eine Kinderporno-Affäre gestürzte einstige Hoffnungsträger der Partei in der Woche vor Weihnachten schwere Vorwürfe gegen den ebenfalls (über eine Drogen-Affäre) gestürzten SPD-Innenexperten Michael Hartmann sowie gegen Oppermann und den ehemaligen BKA-Präsidenten und SPD-Mitglied Jörg Ziercke erhoben hat, ist die Edathy-Affäre mit voller Wucht auf die Tagesordnung der SPD zurückgekehrt.

Denn Edathy hatte über den Stern, vor der Bundespressekonferenz und schließlich während seiner Vernehmung als Zeuge im Untersuchungsausschuß, der seinen Namen trägt, ein wahres Feuerwerk an Vorwürfen abgebrannt. Die spektakuläre Behauptung, Hartmann sei im Oktober 2013 von Ziercke darüber informiert worden, daß Edathy auf einer Liste mit mutmaßlichen Kunden einer kanadischen Kinderpornofirma stehe, und habe diesen daraufhin gewarnt, hat für sich genommen schon das Zeug, das Vertrauen in die Politik und ihre Mechanismen nachhaltig zu erschüttern. Daß Hartmann bei seiner bis in die Nacht dauernden Aussage vor dem Ausschuß die Vorwürfe entschieden zurückwies und seinerseits Edathy als schwierige Persönlichkeit mit „erkennbaren Alkoholproblemen“ charakterisierte, machte aus der Affäre endgültig eine Schmierenkomödie. Eines ist nach dem Duell zwischen Edathy und Hartmann jedenfalls unbestritten: Einer der beiden Politiker hat den Ausschuß eiskalt belogen. Die Autoren der abgründigen amerikanischen Politserie „House of Cards“ hätten ihre Freude daran.

Nicht so die SPD und allen voran Fraktionschef Oppermann. Denn ihnen drohen ausgerechnet zum Jahresanfang ungemütliche Wochen. Nach Edathy und Hartmann, die vermutlich noch einmal vor dem Ausschuß erscheinen müssen, interessieren sich die Abgeordneten nun auch für die Aussagen anderer führender Sozialdemokraten wie Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Oppermann. Jeder dieser Auftritte wird der SPD schlechte Schlagzeilen in den Medien bescheren, deren Interesse an dem zunächst vielfach unterschätzten Ausschuß längst erwacht ist. Vor allem der Druck auf Fraktionschef Oppermann wird steigen. Sein undurchsichtiges Agieren in der Affäre bietet reichlich Stoff für Spekulationen. Daß er Landwirtschaftsminister Hans- Peter Friedrich (CSU) mit einer Pressemitteilung quasi ans Messer lieferte und zum Rücktritt nötigte, ist nicht nur in der CSU unvergessen.

Auch in der eigenen Partei ist Oppermann nicht unumstritten. „Einer der wenigen Vorteile ist, daß ich mit Herrn Oppermann nicht mehr zusammenarbeiten muß“, lautete Edathys Bilanz seines Ausscheidens aus der Politik.

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