© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/15 / 02. Januar 2015

Ein widerlegtes Schreckgespenst
Bundeswaldinventur: Dem deutschen Wald geht es besser als erwartet / Waldbesitzer sehen sich bestätigt und kritisieren Umweltschützer
Bernd Rademacher

Von den heiligen Hainen der Germanen zur Naturpoesie der Romantik, von der kollektiven Angst vorm „Waldsterben“ der 1980er bis zu den Wutbürgern von „Stuttgart 21“: Die Liebe der Deutschen zum Wald ist tief verwurzelt. Der Deutsche nimmt alles auf sich – aber wehe, in seiner Nachbarschaft soll ein Baum gefällt werden!

Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet, das macht rund 90 Milliarden Bäume. Und denen geht’s prima. Das ergab die dritte „Bundeswaldinventur“ des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume). Diese großräumige Bestandsaufnahme ist im Bundeswaldgesetz vorgeschrieben. Untersucht wurden dabei unter anderem die Altersklassen der Bäume, Holzzuwachs und -einschlag, Holzvorräte, Flächenzuwachs, der Anteil an Totholz und die Wirkung von Schutzmaßnahmen. Die Inventur wurde erstmals zwischen 1986 und 1989 durchgeführt, nach der Wiedervereinigung von 2001 bis 2003 wiederholt und nun von 2011 bis Ende 2012 erneut vorgenommen.

Überraschung: Die Dauerklagen der Naturschutzverbände (BUND, NABU, Robin Wood) über „schrumpfende“, „übernutzte“ und „ökologisch kranke“ Wälder sind Schreckgespenster, die von der Realität widerlegt werden. Die Daten beweisen, daß der deutsche Wald wächst und in guter Verfassung ist. Das ist insbesondere das Verdienst der von Natur- und Umweltschützern ständig kritisierten Bewirtschaftung. Die Studie bescheinigt nämlich, daß die Forstwirte ihre Wälder nicht ausbeuterisch, sondern nachhaltig bewirtschaften.

Naturparks sind wahre Kohlendioxidschleudern

So stellten die Untersucher fest: Die Laubbaum- und Altbestände haben um sieben Prozent zugenommen. 36 Prozent der Waldflächen können als „naturnah“ eingestuft werden. Fast hundert Millionen Bäume sind Biotop- oder Spechtbäume. In den Wäldern liegen über 200 Millionen Kubikmeter ökologisch wichtiges Totholz.

Eine weitere gute Nachricht verkündete Waldbesitzer-Präsident Philipp Freiherr zu Guttenberg bei der Präsentation der Inventurergebnisse in Berlin: Die Fläche der über hundertjährigen Altbäume sei seit 2002 um fast 400.000 Hektar gestiegen.

Damit, so zu Guttenberg, sei der Vorwurf vom Tisch, die Forstwirte würden die Wälder „ausplündern“. Sein Fazit: Kein anderes Land in Europa habe größere Holzvorräte in seinen Wäldern als Deutschland – und: „Unsere Wälder sind so stabil, artenreich und ausgedehnt wie noch nie in der modernen Zeit.“

Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzerverbände, Michael Roller, unterstrich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „Natürlich hat es seitens des NABU ein Echo gegeben. In einem Beschwerdebrief zweifelt man die Ergebnisse der Bundeswaldinventur an. Ich kann nur sagen, wir sind die wahren Naturschützer, denn wir leben ja vom Wald.“

Die Fakten sprechen demnach deutlich dafür, daß ein nachhaltiges Nutzungskonzept der richtige Weg zu einem ökologisch gesunden Wald ist. Etwa die Hälfte der Wälder wird kommunal oder privatwirtschaftlich genutzt. Cirka fünf Prozent sind als Biotope geschützt.

Mit dieser Erfolgsbilanz im Rücken fühlte sich Guttenberg zu deutlichen Worten ermutigt: „Die Umweltschutzverbände sollen sich neue Feindbilder suchen! Ihre Kritik ist ideologisch durchtränkte Illusion, um Spender und Mitglieder zu gewinnen!“ Es sei angesichts dieser Bestätigung gar nicht einzusehen, weitere Waldbestände als unberührte Urwälder verkommen zu lassen, wie es Gruppen wie Greenpeace fordern.

Tatsächlich steht die Einrichtung von Naturparks auf der Agenda der Grünen. In diesen Zonen soll die Natur sich selbst überlassen bleiben und kein Baum gefällt werden. Grüne Idylle pur! Neben vier weiteren Bundesländern will auch der grüne Ministerpräsident Kretschmann in Baden-Württemberg einen Nationalpark einrichten, in dem der Wald nicht mehr bewirtschaftet wird.

Das Problem: Naturparks sind wahre Kohlendioxidschleudern. Denn Holz speichert Kohlenstoff auf Lebenszeit. Sterben die Bäume ab, wird das Kohlendioxid wieder freigesetzt. Darum fällt die CO2-Abgabe stillgelegter Flächen deutlich höher aus als die von Nutzwäldern, wie die Universität Hamburg nachwies. Im Fall von Kretschmanns geplantem Naturpark ein Unterschied von 90.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.

Das Bundesforschungsinstitut für ländliche Räume, Wald und Fischerei errechnete, daß die industrielle Nutzung von Holz jährlich rund 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid einspart – dreizehn Prozent der deutschen Gesamtemission. Außerdem: Erstens ist der Schädlingsbefall nichtbewirtschafteter Forstflächen wesentlich stärker. Zweitens müßten die Holzprodukte durch Beton, Stahl oder Kunststoff energieintensiv ersetzt werden. Drittens wären die wirtschaftlichen Folgen für die ländlichen Regionen fatal.

Die Stillegung und Forderung nach mehr „Biodiversität“ bringt die Forst- wie auch die Holzwirtschaft in Bedrängnis. Auf einer Tagung bei Köln trafen sich Vertreter beider Branchen zum Austausch. Die Holzwirtschaft klagt über akuten Mangel an Nadelholz für den Bau, unter anderem weil sich mehr Bauherren für Holz entscheiden würden. Die Waldbauern fürchten aber, daß die sehr durstige Fichte wegen zunehmend trockener Klimaperioden an vielen Standorten, wie im Sauerland, bald gar nicht mehr angebaut werden kann.

Dabei hat man sich im Sauerland gerade erst von den Folgen des Sturmes „Kyrill“ im Jahr 2007 erholt. Nach der Sturmnacht lagen in Nordrhein-Westfalen 16 Millionen Festmeter Fichten am Boden. Etliche Waldbauern fürchteten um ihre Existenz, denn der Preis pro Festmeter Fichtenstammholz bei den Sägewerken sank aufgrund des plötzlichen Überangebotes dramatisch. Um den Markt zu regulieren, bot das Land NRW dem Sägewerksbesitzer Klausener einen Liefervertrag über drei Millionen Festmeter. Diese sollten aus kommunalen Forstämtern und privatem Besitz kommen. Doch der Holzmarkt war in Windeseile leergefegt. Das Land konnte die vertragliche Lieferpflicht an Klausener nicht erfüllen.

Der Unternehmer mußte sein Sägewerk dichtmachen und verklagte das Land auf über 50 Millionen Euro Schadenersatz. Das Landgericht Münster scheute sich, ein Urteil zu fällen und reichte den Fall an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg weiter. Die Entscheidung steht aus. Heute haben die Waldbauern wieder Grund zum Optimismus: Die Wälder im Sauerland sind wieder grün.

Grüne Biodiversität geht nach hinten los

Die grüne „Biodiversitätsstrategie“ verlangt ein Verhältnis von 55 Prozent Laubwald zu 45 Prozent Nadelholz. Tatsächlich ist der Laubholzanteil wegen des verstärkten Aufbaus von Mischwäldern schon auf 56 Prozent vorangeschritten. Laubholz liefert aber nur zu einem Viertel industriell verwertbares Schnittholz, 75 Prozent wird zu Brennholz verarbeitet.

Der gut bezahlte Schnittholzanteil liegt beim Nadelholz dagegen bei etwa der Hälfte. Die Fichte ist der Wirtschaftsmotor des Privatwaldes: Der Reingewinn pro Hektar liegt bei überwiegendem Fichtenbestand bei etwa 250 Euro. Bei Buche und Eiche ist es rund die Hälfte.

Tüftler des Projektes „BauBuche“ entwickelten ein Verfahren, um Buchenholz in mehreren Schichtlagen zu Bauholz zu verpressen. Die Kosten der Technik sind aber im Vergleich zum Nadelholz nicht wettbewerbsfähig. Waldbesitzer müssen sich daher nach Alternativen umsehen. Als solche kommen eher Douglasie, Zeder, Mammutbaum, Lärche oder Schwarzkiefer in Betracht, die mit weniger Wasser auskommen als Fichten. Besonders vielversprechend scheint die Große Küstentanne zu sein, die sich bereits im Sauerland und in Ostwestfalen erstaunlich wohlfühlt. Zudem gehört die Große Küstentanne zu den gefährdeten Baumarten, so daß Waldbesitzer, die sie in ihr Portfolio aufnehmen, praktisch mehr für den Naturschutz leisten, als „grüne Aktivisten“.

Foto: Forstgebiet in Brandenburg: Waldbesitzer sehen sich als Schutzpatrone der grünen Lungen Deutschlands

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