© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/15 / 09. Januar 2015

Propagandastücke
Kleine Form: Das Berliner Bode-Museum zeigt eine Ausstellung mit Medaillen aus dem Ersten Weltkrieg
Karlheinz Weissmann

Die Medaille gehört zu jenen Kleinformen der Bildenden Kunst, die heute fast vergessen sind. Aber seit der Renaissance waren „Schaumünzen“ – also keine Zahlungsmittel – eine nicht ganz unwesentliche Ausdrucksform für diejenigen, die sie entwarfen und ausführten, und ein zuerst in Kreisen des Adels und des großen Bürgertums, dann auch von den Mittelschichten mit ihrem gewachsenen kulturellen Anspruch geschätztes Werk, das einzeln, in geringer oder großer Stückzahl, in edlem oder unedlem Metall ausgeführt, der Erinnerung an Einzelpersonen oder historische Daten diente, Ideen verewigte oder Propaganda machte. Der letzte Aspekt spielte vor allem für Medaillen eine Rolle, die im Ersten Weltkrieg entstanden und die das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin im Bode-Museum gegenwärtig zeigt.

Der Schwerpunkt liegt naturgemäß auf den in Deutschland geschaffenen Stücken, aber man hat auch einiges getan, um den Vergleich mit den Staaten der Entente zu ermöglichen. Auffallend ist dabei der sich im Lauf des Krieges wandelnde Akzent. Zu Beginn wurden vor allem klassische Themen behandelt: Medaillen mit dem Bild der Monarchen oder Staatsführer, der kommandierenden Offiziere oder einzelner, die Hervorragendes geleistet hatten, dann aus Anlaß eines Sieges geprägte Stücke oder solche, die eines anderen wichtigen Ereignisses gedachten.

Allmählich traten daneben Medaillen, die für die eigene Sache warben und – nicht zu vergessen – gegen die feindliche agitierten, es ging jetzt in Summe um die Gefallenen und gleichzeitig wurde auf jene Bildthemen zurückgegriffen, die schon früher die wachsenden Schrecken des Krieges spiegelten. Dazu gehörte etwa der Totentanz, in dessen Reigen sich unterschiedslos Junge und Alte, Männer und Frauen, Helden wie Feiglinge einreihten. Oder es verschob sich der Sinn der Ikonographie, wenn etwa der Löwe, sonst als heroisches und edles Tier präsentiert, nun mit aufgerissenem Maul, Feuer speiend „Das Grauen des Krieges“ versinnbildlichte.

Falls die Auswahl, die das Bode-Museum zeigt, nicht irreführt, ist diese Breite des Spektrums allerdings eine deutsche Besonderheit. Jedenfalls scheint die Menge der Medaillen mit kritischem und zuletzt pazifistischem Tenor erstaunlich groß, während in den Siegerstaaten die grundsätzlich positive Wertung des eigenen militärischen Einsatzes mehr oder weniger ungebrochen blieb. Die in der letzten Abteilung gezeigten Stücke von deutschen Künstlern, die sich heute mit dem Thema des Ersten Weltkriegs befassen, zeigt das überdeutlich. Dagegen wird man zwischen der Aussage der berühmten britischen „Next of Kin Memorial Plaque“, einer Medaille, die die Angehörigen von Gefallenen erhielten, deren Leichen nicht geborgen werden konnten, und des aus Anlaß des Waffenstillstandstages 2012 geschlagenen Stücks mit der Mohnblüte, die an die Kriegstoten erinnert, kaum einen Unterschied feststellen.

Die Ausstellung „Gold gab ich für Eisen – Der Erste Weltkrieg im Medium der Medaille“ wird bis zum 1. März im Berliner Bode-Museum, Am Kupfergraben, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, gezeigt. Telefon: 030 / 2 66 42 42 42

Der Katalog (geb., 280 Seiten, zahlreiche Abbildungen) ist in der Schriftenreihe des Münzkabinetts zu eigenen Ausstellungen und Beständen erschienen und kostet im Museum 24,95 Euro.

www.smb.museum

Fotos: Benno Elkan: Stirb und werde!, 1915, Rückseite, Bronze 96 mm; Ludwig Gies: Totentanz, 1917, Vorderseite, Bronze, 121 mm; Andreas A. Jähnig: Industrielle Vernichtung, 2013, Vorderseite, Bronze; England. Gefallenenmedaille (Next of Kin Memorial Plaque), um 1920 Bronze, 121 mm

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