© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/15 / 09. Januar 2015

Zehn Jahre lang Material zusammengetragen
Nationale Minderheit: Das „Sorbische Kulturlexikon“ gibt umfassend Auskunft über das in der Lausitz siedelnde westslawische Volk
Sebastian Hennig

Die Sorben in der Lausitz konnten bis auf den heutigen Tag innerhalb des deutschen Sprachraums ihre Eigenheiten bewahren. Mit dem „Sorbischen Kulturlexikon“ liegt nun eine eigenständige Enzyklopädie über dieses slawische Volk vor.

In den dreißiger Jahren hatte bereits ein tschechischer Sorabist mit panslawischen Ambitionen ein solches Werk vorgeschlagen. Er wollte damit der verbreiteten Auffassung entgegenwirken, die Lausitzer Wenden wären keine ethnischen Slawen, sondern Germanen, welche die slawische Sprache und Kultur angenommen hätten. Nach dem Krieg gab es dann noch mehrere Anläufe dazu, die allesamt zu keinem Ergebnis führten. Die sorbische Enzyklopädie hat also lange auf sich warten lassen. Meist waren die Zeiten einfach viel zu bewegt für eine gelassene Bestandsaufnahme. Heute dagegen ist die Ruhe so groß geworden, daß sie den Fortbestand der Sache selbst gefährdet. Es ist fast eine Friedhofsruhe. So besteht die Gefahr, daß das umfangreiche Werk den Schlußstein auf ein abgeschlossenes Forschungsgebiet setzt.

Die im Sorbischen Institut in Bautzen konzipierte und erarbeitete Enzyklopädie gibt Auskunft über ein Volk, von dem bald nur noch etwas Folklore übrig geblieben sein wird. Der Rest ist unter dem modernen Komfort begraben oder vom Braunkohletagebau unterwühlt.

80 Fachautoren, 230 Einträge

Eine solche Publikation erhebt freilich nicht mehr den Anspruch, das Eichmaß des Sorbentums zu sein. Stattdessen wird die ganze Geschichte von Landschaft, Volk und Kultur, von der sorbischen Einwanderung im 7. Jahrhundert bis zum gegenwärtigen Status der Minderheit in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen ausgebreitet.

Die hauptverantwortlichen Herausgeber Dietrich Scholze und Franc Šěn, beide Jahrgang 1950, haben in zehnjähriger Arbeit Material zusammengetragen. Achtzig verschiedene Fachautoren zeichnen für die Artikel verantwortlich. Aus allen denkbaren Bereichen wurden die sorbischen Aspekte versammelt. Die 230 Einträge berichten unter anderem von dem Wendenpfennig, den wendischen Ammen, der reichen Sagenwelt wie zum Beispiel die von dem Zauberer „Krabat“, dem Schrifttum und der Buchdruckerkunst, den Beziehungen in den Standesherrschaften der Lausitzen und zu den anderen slawischen Stämmen. Verschiedene lokale Ausprägungen des Brauchtums, der Dialekte und Trachten sowie das uneinheitliche Verhalten der Volksgruppe zum jeweils vorherrschenden Machthaber werden differenziert dargestellt.

Literaturverweise stützen die Beiträge. Über ein Orts- und Personenregister lassen sich Zusammenhänge erschließen.

Franc Šěn und Dietrich Scholze (Hrsg.): Sorbisches Kulturlexikon. Do-mowina-Verlag, Bautzen 2014, gebunden, 580 Seiten, über 700 Abbildungen, 49 Euro

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