© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Wie ein Traum an der Gier nach Macht zerbricht
Wirtschaftsliteratur: Der libertäre Publizist Carlos A. Gebauer rechnet mit der Geld-, Steuer- und Subventionspolitik der EU ab / „Supranationale Hyperverwaltung“
Robert Grözinger

Als Jurist“, schreibt Carlos A. Gebauer zu Beginn seines neuen Buches, dürfe er „zu schlechten Gesetzen einfach nicht schweigen“. Dabei geht der Autor sehr gründlich vor, fängt gar bei den alten Griechen an. Es gelingt dem Sat1-„Anwälte mit Herz“-Darsteller, seine klassische Bildung auf leicht verständliche Weise zu vorzutragen.

Im ersten Kapitel des Buches „Rettet Europa vor der EU. Wie ein Traum an der Gier nach Macht zerbricht“, das den „Prinzipien und Elementen der Herrschaft“ gewidmet ist, referiert er mit der Souveränität eines seiner Kenntnistiefe sicheren Gelehrten sein geistesgeschichtlich-theologisches Wissen. Gebauer vermittelt dem Leser, wie das moderne Wissenschaftsbild und der tägliche Sprachgebrauch weit mehr von ursprünglichen philosophischen Grundlagen geprägt sind, „als dies gemeinhin im alltäglichen Bewußtsein erkannt wird“. Im Abschnitt über Rechtsgeschichte lernen wir zum Beispiel, daß „die Frage nach der Schuld einer angeklagten Hexe und die Versuche einer rationalen Aufklärung ihrer wirklichen Schuld die ersten Anfänge einer beginnenden Rechtsstaatlichkeit markieren“. Parallel zur naturwissenschaftlich-kopernikanischen Wende habe ein Paradigmenwechsel in der Herrschaftslegitimierung stattgefunden, und zwar von einer „deduktiven“ Legitimation kraft göttlicher Anordnung hin zu der „induktiven“ durch individuellen Konsens von unten.

Aushöhlung der europäischen Rechtsstruktur

Auf dieser soliden theoretischen Basis fußend zeigt Gebauer anhand einer Fülle von Beispielen im zweiten, empirischen Kapitel, wie die EU-Vertragstexte die über Jahrtausende gewachsene europäische Rechtsstruktur aushöhlen und zerstören – und wie willfährige Medien diesen Prozeß nachdrücklich unterstützen. Mit Hilfe unsinniger, unscharfer Formulierungen, mit einer „gänzlichen Aufweichung aller verwendeten Terminologie“ hätten sich die EU-gestützten Regierungen mit ihrem „Einschätzungsermessen“, das von Gerichten nicht zu überprüfen oder zu kritisieren sei, „Handlungsfreiräume geschaffen, die denen eines absolutistischen Monarchen praktisch gleichkommen.“ Hier hat Gebauer mit dem Problem zu kämpfen, beim Entlarven wohl absichtlich ermüdender Vertragstextabschnitte nicht selber die Sicht auf den Wald vor lauter Bäumen zu verlieren. Obwohl alle Beispiele berechtigterweise die messerscharfe Kritik des Juristen erfahren, wäre an dieser Stelle weniger mehr und ein klarerer roter Faden nützlich gewesen. Lobenswert ist die aufklärerische Kleinarbeit dennoch, insbesondere die Beschreibung des haarsträubenden, aber kaum bekannten Umstands, daß die „Rettung“ des Euro wiederholt unter Rückgriff auf das EU-„Katastrophenrecht“ stattfand.

Das längst vergessene Subsidiaritätsversprechen sei von „faktisch unbegrenzten Ermächtigungsmöglichkeiten“ der EU ersetzt worden. Gebauer weist nach, daß die „supranationale Hyperverwaltung“ der Union inzwischen „völlig entdemokratisiert“ ist. Zum Beispiel genössen die EU-Beamten und -Bediensteten weitreichende Immunitäten und seien so „von der Gerichtsbarkeit befreit und unterliegen keinen Einwanderungsbeschränkungen“. Angesichts all dessen plädiert der Autor im abschließenden Kapitel für „weniger Europa“ und „mehr bürgerliche Handlungsfreiheit“. Das „gewachsene europäische Zivilrecht“ müsse wieder zur Geltung kommen, da das „öffentlich-rechtliche Zwangsprinzip“, das nun seinen Platz einnimmt, nur Unfrieden erzeuge.

Eine weitere „Demokratisierung“ der EU helfe nicht, da ohne das „friedensstiftende Konsensprinzip“ des Zivilrechts „die Mehrheit der Minderheit etwas aufzwingen kann“. Als funktionsfähiges Modell für die Kooperation europäischer Staaten untereinander könne die „wechselseitige Abgrenzung zwischen Einzelinteressen und Gemeinschaftsinteressen“ dienen, „die sich im deutschen Wohnungseigentumsrecht seit Jahrzehnten – mit einer immer feiner austarierten Judikatur – bewährt hat“.

Gebauers EU-Kritik ist insbesondere ein Appell an alle Juristen, die ebenfalls „zu schlechten Gesetzen einfach nicht schweigen“ wollen und eine ebenso gründliche wie nützliche Zusammenstellung einer fundierten EU-Kritik aus rechtswissenschaftlicher Sicht. Auch Nichtjuristen können das Buch mit Gewinn lesen. Viele Ökonomen haben die Eurozone bereits als nicht funktionsfähig abgeurteilt und warnen vor der schleichenden Zentralisierung, Verstaatlichung und Sklerotisierung der EU-Wirtschaft. Gebauers großes Verdienst ist, mit „Rettet Europa vor der EU“ eine Brücke zwischen der Ökonomie und der in der Europadebatte lange vernachlässigten Rechtswissenschaft geschlagen zu haben. Erfreulich, daß er dabei das wichtige Feld der Geldpolitik nicht ausspart.

Man muß sich allerdings auf das Wissen des Autors verlassen, Fuß- oder Endnoten fehlen völlig. Der Leser wird dafür mit einer Sammlung höchst interessanter und unterhaltsamer Artikel des Autors aus anderen Publikationen entschädigt.

Carlos A. Gebauer: Rettet Europa vor der EU. Finanzbuch-Verlag, München 2014, broschiert, 200 Seiten, 17,99 Euro

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