© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Frisch gepresst

Königsberg. In die „Festung Königsberg“, die am 9. April 1945 kapitulierte, zogen mit den Heerscharen ordinärer sowjetischer Plünderer auch Beutemacher gehobener Kategorie ein, die nach Kunstschätzen, Büchern und Archivalien suchten. Was genau diesen wissenschaftlich versierten Experten in den Trümmern des ostpreußischen Kulturzentrums in die Hände fiel, darüber schweigen sich russische Stellen auch 25 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion aus. Offener ging man im 1990 unabhängig gewordenen Litauen mit diesem Kriegserbe um, so daß deutsche Historiker in Wilna Zugang zu 1945/46 dorthin verbrachten Akten der Königsberger Universität erhielten. Darunter befand sich auch das Protokollbuch der Philosophischen Fakultät der Albertina. Es dokumentiert den Verlauf von 267 Fakultätssitzungen von 1916 bis zum Oktober 1944 und erweist sich in der nun edierten und umfassend kommentierten Fassung mit seiner universitäts- und wissenschaftshistorischen Themenvielfalt als einzigartiges Kaleidoskop ostdeutscher Geistes- und Kulturgeschichte. (dg)

Christian Tilitzki (Hrsg.): Protokollbuch der Philosophischen Fakultät der Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr. 1916–1944. Fibre Verlag, Osnabrück 2014, gebunden, VIII & 702 Seiten, 58 Euro

 

Breslau. „Wie niemand zuvor hat Josef Nadler die Städte und Regionen des alten deutschen Sprachraums unabhängig von politischen und nationalen Grenzziehungen der Geschichte der deutschen Literatur gewonnen.“ Diese Würdigung des heute als „völkisch“ stigmatisierten Germanisten Nadler (FAZ, 17. Oktober 2012) liest sich wie ein verstecktes Selbstlob des Laudators Klaus Garber. Denn „wie niemand zuvor“ nach 1945 hat der Osnabrücker Literaturhistoriker Städte und Regionen des alten ostdeutschen Sprach- und Kulturraums vermessen und dem kollektiven Gedächtnis zu bewahren versucht. Jüngstes Erzeugnis dieser Erinnerungsarbeit ist seine Kulturgeschichte Breslaus. Dieses wuchtige Werk über das „metropolitane Herz“ Schlesiens verspricht im Titel allerdings etwas zuviel, da die Breslauer Geistesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts fast vollständig ausgespart bleibt. Stattdessen konzentriert sich Garber auf das 15. bis 18. Jahrhundert, auf die humanistische Gelehrtenkultur, die Blüte der schlesischen Barockpoesie und die Polyphonie der konfessionellen Strukturen. (ml)

Klaus Garber: Das alte Breslau. Kulturgeschichte einer geistigen Metropole. Böhlau Verlag, Köln 2014, gebunden 597 Seiten, Abbildungen, 34,90 Euro

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