© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

König Olafs Alleinherrschaft steht auf der Kippe
Hamburg: Die SPD muß bei der Wahl zur Bürgerschaft am 15. Februar um ihre absolute Mehrheit in der Hansestadt fürchten
Michael Johnschwager

In fünf Wochen sind die Bürger Hamburgs aufgerufen, über die Zusammensetzung ihres Parlaments neu zu bestimmen. Dieser Wahl sehen die Parteien mit besonderer Spannung entgegen, ist doch nicht absehbar, welche der Kleineren künftig in der Bürgerschaft vertreten sein werden; erstmals für eine Legislaturperiode von fünf Jahren.

Akzente für den Wahlkampf kommen auch von außen. Seit dem vergangenen Jahr bevölkert ein nicht versiegender Strom von Flüchtlingen das Stadtbild. Mit der Unterbringung stößt der sozialdemokratisch dominierte Senat an seine Grenzen. Anfang des Jahres wurde eine neue Wohnsiedlung für Flüchtlinge bezugsfertig. Die Ansiedlung im Stadtteil Billbrook ist nicht unumstritten, kam es in der Vergangenheit dort doch zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen. Der Stadtteil gilt als Brennpunkt, der Migrantenanteil liegt bei 72 Prozent.

Die AfD ist die große Unbekannte

Doch auch an anderer Stelle brennt es. Die Reaktionen mancher Hanseaten reichten von Widerwillen bis zu blankem Entsetzen, als sie von den hanebüchenen Defiziten und schweren Versäumnissen bei der Betreuung sozial benachteiligter Kinder in ihrer wohlhabenden Stadt erfahren mußten. Ausgerechnet eine SPD, die sich die Überwindung sozialer Ungerechtigkeit an die Fahne heftet, versagt auf ganzer Linie kläglich. Licht ins Dunkel sollten Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) bringen. Die Opposition forderte den Rücktritt von Sozialsenator Detlef Scheele. Aber darüber ging es nicht hinaus.

Wenig überzeugend agiert Hamburgs SPD beim Thema Schule und Bildung. Die Defizite sind nicht zu übersehen, so daß die Partei bei den Bürgern auf diesem wichtigen Terrain kaum zu punkten vermag.

Hamburgs Mieten schnellten in der ablaufenden Legislaturperiode exorbitant in die Höhe. Dem versucht der SPD-Senat mit einem ambitionierten Programm für bezahlbares Wohnen zu begegnen. Nicht nur im Stadtteil Hammerbrook, nahe der Innenstadt, werden dafür neue Wohnhäuser hochgezogen.

Ein Dauerbrenner ist die Elbphilharmonie. Dieser Tage beging Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz in Begleitung seiner parteilosen Kultursenatorin Barbara Kisseler und von Medienvertretern den noch immer im Bau befindlichen gigantomanisch anmutenden Kulturtempel. Dieser Superlativ trifft auch auf die Kostenexplosion zu. Die Baukosten liegen um sage und schreibe das Zehnfache höher als ursprünglich veranschlagt. Ab Januar 2017 endlich dürfen sich Konzertgänger dann an der einzigartige Akustik erfreuen.

Olaf Scholz, ein bodenständiger Sozialdemokrat, ist eine eher unauffällige Erscheinung. Seine absolute Mehrheit steht nun auf der Kippe. So liegt seine SPD momentan in Umfragen bei für Hamburger Verhältnissen relativ bescheidenen 43 Prozent. Avancen als Koalitionspartner macht ihm ausgerechnet die FDP, die voller Siegeszuversicht darauf vertraut, ihre ewige Malaise hausgemachter Intrigen schlußendlich hinter sich gebracht zu haben. Dennoch dürfte sie nur mit allergrößter Kraftanstrengung die Fünfprozenthürde überwinden, wenn überhaupt. Die Chancen der Elbliberalen haben sich mit der im Herbst erfolgten Abspaltung der „Neuen Liberalen“ eher verflüchtigt. In ihren Reihen engagiert sich Sylvia Canel, die für Hamburgs FDP einst im Bundestag saß. Die umtriebige Liberale stemmte sich damals dezidiert gegen die Euro-Rettungsschirme.

Das Gesicht der CDU in Hamburg ist ihr Spitzenkandidat Dietrich Wersich. Er konnte zuletzt leicht an Zustimmung gewinnen und brächte die Christdemokraten auf 22 Prozent. Seine Kommunikation mit dem Wähler ist konziliant. Damit tritt er in die Fußstapfen des in der Stadt immer noch geschätzten Ole von Beust, dessen geschmeidiger Politikstil der Großstadt-CDU einst ungeahnt hohen Wählerzuspruch einbrachte. Wersich wird aber kaum die Sympathiewerte von Sonnyboy Ole erreichen. Er möchte Hamburg als Standort für Wirtschaft und Wissenschaft stärken und setzt sich für die Verkehrsinfrastruktur ein. Sein Denken geht dabei über die Stadtgrenze hinaus in Richtung Metropolregion.

Hamburgs Grüne sähen es gern, wenn die SPD wieder mit ihnen eine Koalition einginge. In ihren Auftritten postulieren sie den üblichen linken Klassiker von Toleranz und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Für 14 Prozent der Hamburger stellt dies ein wichtiges Anliegen dar. Sie wollen das grünes Engagement mit ihrem Kreuz auf dem Wahlzettel belohnen. Überhaupt gibt sich das linke Spektrum unspektakulär und hält sich vor der Wahl bedeckt. Die Linkspartei wird bei acht Prozent verortet. Offenkundig fühlen sie sich in ihrer Rolle als oppositionelle Stimme im Rathaus wohl und vertrauen auf ihre Stammwähler. Sie gerieren sich gern als Verweigerer und votieren konsequent gegen Olympische Sommerspiele in der Hansestadt.

Die große Unbekannte ist die AfD. Sie wirbt auf Plakaten – von linksextremistischen Chaoten selbst in Nobelvierteln zerstört – fortan nicht mehr mit Köpfen, sondern mit Slogans. Mit Klartext will die AfD brisante Themen ansprechen, die häufig ausgeklammert werden: kontrollierte Einwanderung, sowie höhere Standards in der Bildung. Sie spricht sich für mehr innere Sicherheit aus und will die Polizei stärken. Die AfD hofft, von Nichtwählern als wirkliche Alternative wahrgenommen zu werden und setzt auch auf das Lager der Protestwähler. Gelingt der AfD auf Anhieb der Einzug in die Bürgerschaft, kommen die Altparteien in Bedrängnis. Für alle gemeinsam gilt die Erkenntnis: Konkurrenz belebt das Geschäft. Im merkantil kühlen Hamburg eine Binsenweisheit.

Foto: Hamburgs Erster Bürgermeister Scholz (l.), CDU-Mann Wersich: Über die Stadtgrenzen hinaus

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen