© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Geplatzte Wüstenträume
Solarstrom aus der Sahara: Im Herbst 2014 wurde das Megaprojekt Desertec beerdigt
Rüdiger Lehmann

Im Herbst 2014 löste sich eine der kühnsten Unternehmungen der deutschen Wirtschaft, die 2009 gegründete Desertec Industrieinitiative (Dii), nahezu in Luft auf. Dabei wurde deren innovative Dimension von ihren Trägern einst mit der Mondlandung gleichgesetzt.

Ursprünglich war von den Dii-Gesellschaftern, zu denen Siemens, Bosch, Bilfinger und ABB genauso zählten wie die Stromversorger Eon und RWE, die Deutsche Bank und die Münchener Rückversicherung, vorgesehen, 500 Milliarden Euro zu investieren, um in der Sahara 50 Solarkraftwerke zu errichten sowie Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen mit einer Gesamtkapazität von 100 Gigawatt zu verlegen. Das Gros des Wüstenstroms sollte in die Netze der Erzeuger fließen und zwischen Casablanca und Bahrain einen „Entwicklungsschub“ auslösen. Etwa ein Fünftel der sauberen Energie wäre ab 2020 auch dem EU-Raum zugute gekommen.

Durch milden Winter sank deutscher Stromverbrauch

Warum aus der „genialen Idee“ des deutschen Physikers Gerhard Knies trotzdem nichts wurde, führt Michael Odenwald auf vier Faktoren zurück (Natur, 1/2015). Zum einen erhöhte der „arabische Frühling“ seit 2011 die sozioökonomischen Instabilitäten Nord­afrikas, was die Planer des Megaprojekts langsamer agieren ließ. Zum anderen brach die europäische Nachfrage weg. Infolge milder Winter sank allein der deutsche Stromverbrauch 2014 um fünf Prozent. Drittens zeigte die Energiewende Wirkung, da Deutschland im ersten Halbjahr 2014 fast 30 Prozent des Verbrauchs aus nichtfossilen Energieträgern deckte. Viertens verfiel parallel dazu der Preis bei Photovoltaikanlagen, und die Kosten für Solarstrom verringerten sich schon 2011 um 40 Prozent. 2012 stiegen daher Siemens, Bosch, Eon und Bilfinger bei Dii aus. Aus dem Kreis der übrigen 18 Konzerne verabschiedete sich dann 2014 die Mehrzahl bis auf RWE, den chinesischen State Grid und die saudi­arabische ACWA Power.

Industrieinitiative agiert weiter als Ideengeber

Immerhin, so tröstet Odenwald, seien nicht alle „Wüstenträume“ geplatzt. Denn als Ideengeber und Beratungsfirma operiere die „grandios gescheiterte“ und nun geschrumpfte Dii weiter in der Region. Sie könne sich unter 70 Projekten auch das Ende 2013 in Betrieb genommene „weltweit größte Parabolrinnenkraftwerk“ in Abu Dhabi als Erfolg an die Fahnen heften.

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