© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Bundesparteitag der AfD
Aufbruch oder Desaster
Dieter Stein

Es ist eine Tagung der Superlative. Am kommenden Wochenende trifft sich in Bremen die eurokritische Partei Alternative für Deutschland (AfD) zu einem Bundesparteitag. Über 3.000 Mitglieder wollen kommen. Neben einem Saal, in dem zweitausend Leute Platz finden sollen, muß deshalb in mehreren Hallen gleichzeitig getagt werden. Eine organisatorische und logistische Kraftprobe für die junge Partei. Seit zehn Monaten ist es das erste Mal, daß sich die Parteispitze den eigenen Anhängern vor diesem Forum stellen muß. Ein Stimmungstest, der in einem Aufbruch oder völligen Desaster enden könnte.

Zwischen dem jüngsten Parteitag in Erfurt Ende März 2014 und heute hat die AfD sich stark verändert: Im Mai zog sie mit sieben Abgeordneten (7,1 Prozent) in das EU-Parlament ein, im August eroberte sie den Landtag von Sachsen (9,7 Prozent), im September Thüringen (10,6 Prozent) und Brandenburg (12,2 Prozent). Vom permanenten Wahlkampfmodus mußte die AfD auf eine Phase der Konsolidierung umschalten. Im EU-Parlament und in den drei Landtagsfraktionen entstanden Strukturen mit Dutzenden hauptamtlichen Mitarbeitern. Aus einer bürgerlichen Sponti-Bewegung von rein Ehrenamtlichen soll eine Organisation mit professionellem Apparat wachsen.

Es ist wenig überraschend, daß die AfD in dieser Wachstumsphase unter extremen Spannungen steht. In den vergangenen Monaten eskalierten deshalb mehrfach Auseinandersetzungen um Führung, Gestalt und Inhalte der Partei. Die Führungsspitze aus Bernd Lucke, Frauke Petry, Konrad Adam, Alexander Gauland wurde im April 2013 gewählt, als die Partei erst 7.000 Mitglieder hatte. Zwei Jahre später sind es dreimal soviel. Zwar wird sich der Vorstand in Bremen nicht einer Wiederwahl stellen müssen, doch es werden die Weichen zu einer neuen Struktur gestellt. Die eigentliche Neuwahl steht im April an. Es wird sich jedoch schon jetzt zeigen, wie geschlossen die AfD noch ist oder ob die Flügel stärker auseinanderdriften. Hat das Mitgliederwachstum eher die konservative oder die liberale Fraktion gestärkt? Sorgt die Pegida-Bewegung für einen „Rechtsruck“?

Die Wahlen in Griechenland haben bestätigt, welche tiefgreifenden politischen Verwerfungen die europäische Währungsunion und die „Euro-Rettung“ auslösen. Deutschland wird in den kommenden Wochen unter noch größeren Druck geraten, den Marsch in eine Transferunion mitzutragen. Die AfD hat das Verdienst, als Stimme der marktwirtschaftlich-staatsrechtlichen Vernunft eine große demokratische Repräsentationslücke in Deutschland geschlossen zu haben. Sie muß jetzt zeigen, daß sie mit der gleichen Vernunft auch ihren Ausbau und ihre Etablierung vorantreibt und nicht wie die Piraten am eigenen Wachstum scheitert.

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