© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Ein Montag am Sonntag
Dresden I: Trotz Turbulenzen nehmen wieder Tausende an Pegida-Demonstration teil
Felix Krautkrämer

Die Erleichterung bei vielen Medien war nicht zu überlesen. „Zahl der Pegida-Demonstranten sinkt“, titelte die Welt. „Pegida schrumpft“, schrieb Spiegel Online und die Nachrichtenagentur dpa meldete: „Erstmals weniger Teilnehmer bei Pegida-Demonstration“.

Doch der mediale Abgesang dürfte verfrüht sein. Denn auch bei seiner 13. Veranstaltung hatte das islamkritische Bündnis am vergangenen Sonntag Tausende Demonstranten auf die Straße gebracht, 17.300 laut Polizei. Pegida sprach von über 20.000 Teilnehmern. Und das trotz einer turbulenten Woche, die hinter der Dresdner Bewegung lag. Zum einen hatte Pegida seine montägliche Demonstration kurzfristig auf den Sonntag vorverlegt. Grund war die Anti-Pegida-Veranstaltung vor der Frauenkirche, bei der am Montag unter anderem Herbert Grönemeyer auftrat. „Stürmische Zeiten verlangen flexible Reaktionen“, hieß es daher am Freitag in einer Mitteilung von Pegida. „Damit unsere Spaziergänger mit ihren Familien sich dieses kostenlose kulturelle Großerlebnis nicht entgehen lassen müssen, haben wir uns entschlossen, unsere Veranstaltung auf den Sonntag zu verlegen.“ Somit blieben Pegida nur zwei Tage, um für die eigene Veranstaltung auf dem Theaterplatz in Dresden zu mobilisieren und die Ungewißheit, ob die Anhänger dem Aufruf auch an einem Sonntagnachmittag folgen würden.

Weitaus schwerwiegender als die Terminänderung war jedoch der Rücktritt des Pegida-Initiators Lutz Bachmann. Der Kopf der Bewegung war wegen seiner kriminellen Vergangenheit bereits mehrfach in die Kritik geraten, was ihm in dem Bündnis aber nicht geschadet hatte. Doch als nun frühere Einträge auf Facebook bekannt wurden, in denen Bachmann Ausländer unter anderem als „Viehzeug“ und „Dreckspack“ bezeichnet hatte und zudem auch noch ein Foto Bachmanns im Internet auftauchte, auf dem er mit Scheitel und Schnauzbart als Hitler posierte, war dies einigen im Organisationsteam von Pegida wohl zuviel. Nach einer Sitzung der Pegida-Verantwortlichen gab Bachmann am Mittwoch seinen Rückzug bekannt. Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel ergänzte, man weise dessen Äußerungen aufs schärfste zurück. „Sie tragen nicht dazu bei, Vertrauen zu den Zielen und Protagonisten von Pegida zu entwickeln.“

Kurz zuvor hatte bereits die sächsische AfD ebenfalls Bachmanns Facebook-Einträge in einer Mitteilung „aufs schärfste“ verurteilt. Bachmann habe den „mühsam erreichten Diskurs zwischen Pegida-Teilnehmern und Politik beschädigt. Politische Glaubwürdigkeit ist ohne persönliche Integrität unmöglich“, kritisierte AfD-Landeschefin Frauke Petry.

Innenminister spricht mit Organisationsteam

Nachdem Fragen über den Zeitpunkt der AfD-Mitteilung sowie über ähnlich klingende Passagen mit der Stellungnahme von Pegida aufkamen, zog die Partei die Erklärung jedoch wieder zurück. Bei deren Versenden habe es sich um ein Versehen gehandelt, hieß es von der AfD. Hatte Petry in der Bachmann-Affäre Druck auf Pegida ausgeübt? Spiegel Online zitierte die sächsische AfD-Chefin mit den Worten, sie habe Oertel gesagt, „daß Bachmann nicht mehr zu halten ist“. Doch Petry widersprach der Darstellung. Sie habe Oertel zu keinem Zeitpunkt etwas geraten oder empfohlen. Dennoch sah sich die Pegida-Sprecherin am Sonntag offenbar gezwungen, klarzustellen, daß Petry in der Frage keinen Einfluß auf sie ausgeübt habe. „Ich habe mich von ihr definitiv nicht beraten lassen, als es um den Rücktritt von Lutz Bachmann ging“, versicherte sie. Pegida sei und bleibe überparteilich, betonte Oertel und ging damit auf Distanz zur AfD.

Der Sonntag brachte aber noch eine weitere Wendung. Am Mittwoch davor hatte es auch in Leipzig eine Demonstration gegen die Islamisierung des Abendlandes gegeben. Dem Aufruf von Legida waren nach Polizeiangaben etwa 15.000 Menschen gefolgt. Als Redner waren der Publizist Jürgen Elsässer sowie der Verleger Götz Kubitschek aufgetreten. Von den Medien waren Legida und deren Verantwortliche als radikaler und weiter rechts stehend bezeichnet worden, was dazu führte, daß sich Pegida kurz vor Beginn der Demonstration in Leipzig von dem dortigen Ableger distanzierte. Was in Leipzig gesagt und gefordert werde, sei nicht mit Pegida abgesprochen und könne sich für die einheitliche Wahrnehmung der Bewegung als kontraproduktiv erweisen, hieß es in einer Mitteilung. Pegida prüfe deswegen eine Unterlassungsklage.

Am Sonntag hielt dann aber überraschend Legida-Organisator Silvio Rösler in Dresden ein kurzes Grußwort und erläuterte, die früheren Differenzen seien ausgeräumt. Künftig würden Pegida und Legida „Schulter an Schulter“ demonstrieren. Pegida-Sprecherin Oertel bestätigte der JUNGEN FREIHEIT die Entwicklung. „Wenn Legida keinen rechtsextremistischen Strömungen ein Forum bietet und das Programm von Pegida aufnimmt, ist eine Zusammenarbeit möglich.“ Dies sei momentan der Fall, da sich die Leipziger von umstrittenen Personen getrennt hätten. Pegida werde die Demonstrationen in Leipzig daher unterstützen. „Gemeinsam können wir den Druck auf die Politik erhöhen“, sagte Oertel.

Unterdessen wurde am Montag bekannt, daß sich der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) mit Oertel und weiteren Mitgliedern des Organisationsteams getroffen hat. „Der Dialog kann auf der Straße beginnen, kann aber dort nicht als verständiger Austausch von Meinungen und Argumenten geführt werden“, sagte Ulbig am Montag.

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