© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Der Mann, den die Politik hofiert
Islam: Der eloquente Medienberater Aiman Mazyek hat aus dem Zentralrat der Muslime einen einflußreichen Verband geformt
Gernot Facius

Das Bild von der Mahnwache der Muslime für die Mordopfer von Paris dominierte die Fernsehnachrichten: Der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek mit staatsmännischer Mimik zwischen Joachim Gauck und Angela Merkel. „Demut und Trauer war aus seinen Worten zu hören. Es klang anders als die übliche Beteuerung, der Terror habe, nichts mit dem Islam zu tun“, kommentierte Necla Kelek die Szene.

So ganz scheint aber die aus Istanbul stammende kritische Soziologin der Stimmung vor der französischen Botschaft am Brandenburger Tor noch nicht zu trauen. Nun sei es an der Zeit, daß dieselben Funktionäre in ihren Verbänden und Moscheen dafür sorgten, den Gedanken der Freiheit und Verantwortung ernst zu nehmen und eine Auseinandersetzung über Islam und Gewalt zu beginnen, schrieb Kelek in der Welt. Damit hat sie das Problem auf den Punkt gebracht. Auch Mazyek muß sich ihm stellen, soll sein Berliner Auftritt mehr sein als die Selbstdarstellungsshow eines Mannes, den die Politik hofiert. Der von dem eloquenten Medienberater geführte Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), mit Abstand der kleinste der Islamverbände, trägt schwer an einer Hypothek aus dem Jahr 2002, an der Mazyek nicht unschuldig ist.

Unter Mazyeks Assistenz inszenierte der ZMD, damals von dem Saudi Nadeem Elyas geleitet, eine „Islamische Charta“. Sie sollte ein öffentliches Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung sein. In Wirklichkeit wurde mit ihr eher ein Propagandastück auf die politische Bühne gestellt, um die seit langem geforderte „Gleichberechtigung“ mit anderen Glaubensbekenntnissen zu erreichen. Der Islam eine gewalttätige Religion? Nein, eine kämpferische. Diese „Differenzierung“ zieht sich wie ein roter Faden durch alle ZMD-Stellungnahmen. Die ominöse Charta definiert Islam als „Frieden“. Sprachlich und sinngemäß falsch, antwortete der bekannte Islamwissenschaftler Tilman Nagel, das Wort meine Unterwerfung.

Auf den „selbsternannten Ober-Muslim“ (Zeit Online) machen solche Klarstellungen wenig Eindruck. Der Islam sei friedfertig und werde von „Mördern“ und „Hooligans“ gekapert, verkündete er in Berlin. Bezeichnungen wie „politischer Islam“ oder „Islamismus“ seien Kampfbegriffe und das Werk von Propagandisten und Ideologen, die Muslime erlebten einen „medialen Supergau“. Mazyeks ZMD möchte sich liberal geben, der umtriebige Vorsitzende verweist dabei gern auf seine politische Sozialisation in der FDP. Die Charta spiegelt freilich einen traditionalistischen, wenn nicht fundamentalistischen Anspruch wider.

Er spielt auf dem Klavier der öffentlichen Meinung

Da heißt es, der Koran sei das unverfälschte Wort Gottes und die Muslime glaubten, „daß der Koran die ursprüngliche Wahrheit, den reinen Monotheismus nicht nur Abrahams, sondern aller Gesandten Gottes wiederhergestellt und bestätigt“ habe. Im Klartext: Mit Mohammed wurden alle anderen Religionen überwunden. „Ein Dialog auf gleicher Augenhöhe ist auf dieser Basis nicht möglich“, hieß es in einer Dokumentation der Bundeszentrale für politische Bildung. Artikel 13 lautet: „Zwischen den im Koran verankerten, von Gott gewährten Individualrechten und dem Kernbestand der westlichen Menschenrechtserklärung besteht kein Widerspruch.“ Nur dem „Kernbestand“? Und handelt es sich bei den einschlägigen internationalen Pakten über die unveräußerlichen Rechte von Menschen nicht um universale Erklärungen der Vereinten Nationen?

Geradezu entlarvend die Stellungnahme zum Thema Mann und Frau: Beide hätten die gleiche Lebensaufgabe, nämlich Gott zu erkennen, ihm zu dienen und seinen Geboten zu folgen. Von gleichen Rechten ist nicht die Rede. Wie denn auch? Ist doch im Koran festgelegt, daß die Männer über den Frauen stehen, was auch das Recht auf körperliche Züchtigung der Frauen einschließt. Das Thema Scharia wird so gut es geht umgangen. Alle ZMD-Chefs, auch Mazyek, haben sie allerdings als „vollständiges Rechtssystem“ gepriesen. Das provoziert nachgerade die Frage: Wozu dann noch die Anerkennung des Grundgesetzes? Wie ernst ist es mit den Bekenntnissen zum politischen und religiösen Pluralismus? Der Charta-Inspirator Nadeem Elyas hat sich zur Pflicht der Muslime bekannt, einen islamischen Staat anzusteuern. Und auch Mazyek, der das Spiel auf dem Klavier der veröffentlichten Meinung wie kein zweiter aus seinem Netzwerk beherrscht, könnte, selbst wenn er es wollte, dieses Ziel nicht aufgeben. Da käme er mit vom wahhabitischen Islam in Saudi-Arabien verbandelten ZMD-Mitgliedern in Konflikt.

Es ist nicht vergessen, daß Mazyek neben dem Haßprediger Pierre Vogel zu den schärfsten Kritikern des Islam-Professors Mohammed Korchide (Münster) zählte, der wegen seiner aufklärerischen Gedanken als häretisch eingestuft wird. „Der ZMD“, so die Islamwissenschaftlerin Khadija Katja Wöhler-Khalfallah, „ist nichts anderes als ein ideologischer Vertreter eben jener neosalafistischen Muslimbruderschaft in Deutschland, die sich in ihrem Gedankengut von den radikalen Salafisten lediglich darin unterscheidet, einer strategisch durchdachteren Vorgehensweise zu folgen, die pluralistische Demokratie zu unterminieren und die Muslime zurück in Bevormundung und Sklaverei katapultieren zu wollen.“

Foto: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek: Die Scharia als „vollständiges Rechtssystem“ gepriesen

 

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