© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Ohrfeige für die Etablierten
Griechenland: Linke und Rechte bilden EU-kritische Regierung / Teure Wahlversprechen / Einstige Große Koalition auf ein Drittel reduziert
Panajotis Doumas

Die Linke in der EU jubelte. „Dies ist der erste Schritt, um die Verarmungspolitik der politischen Eliten zu beenden“, teilte die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken im EU-Parlament mit. „Dear Alexis, Congratulations from Germany!“ gratulierte auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow am Sonntag abend via Facebook dem Wahlsieger Alexis Tsipras. „Als Linke haben wir unsere Schwesterpartei Syriza im Wahlkampf unterstützt und freuen uns mit ihr über den Erfolg“, verlautbarten wenig später die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger.

Schon Montag mittag war die Euphorie für „einen grundlegenden Richtungswechsel“ verflogen. Tsipras hatte angekündigt, mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen zu koalieren. Daß Tsipras als erste Amtshandlung nicht das Monument des unbekannten Soldaten am Parlament, sondern den „Platz der 200 Patrioten“ – ein Mahnmal für den Widerstand gegen die Wehrmacht – besuchte, ging in der Aufregung unter.

Rechtsextreme festigen Platz als dritte Kraft

Die EU-Kommission respektierte hingegen „die souveräne und demokratische Wahl des griechischen Volkes“ – und was sollten die europäischen Regierungen auch sonst tun? Die bisherige Große Koalition aus Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) dezimierten die griechischen Wähler auf unter ein Drittel der Stimmen. Die mit der NPD befreundete Goldene Morgenröte (XA) wurde mit 6,3 Prozent drittstärkste Kraft. Die Kommunisten (KKE) liegen mit 5,5 Prozent knapp hinter den europhilen Neoliberalen (Potami/6 Prozent) des früheren TV-Journalisten Stavros Theodorakis.

Tsipras’ rot-grüne Koalition der Radikalen Linken (Syriza) verpaßte – trotz des 50-Sitze-Bonus für den jeweiligen Wahlsieger – mit 36,3 Prozent die absolute Mehrheit im Parlament. Die KKE lehnt Euro, EU und Nato konsequent ab. So blieb dem 40jähigen früheren Jungkommunisten keine andere Möglichkeit, als mit den Unabhängigen Griechen (Anel; 4,8 Prozent) zu koalieren, will er auch nur einen Bruchteil seiner sozialen und finanziellen Versprechen einhalten.

Die Anel formierte sich 2012 aus ausgeschlossenen Abgeordneten der konservativen ND. Wie Syriza lehnt die Anel den Sparkurs vehement ab. Schon während ihrer Oppositionszeit machten sie gemeinsam Front gegen die Auflagen der Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission. Die lautstarke Forderung an Deutschland, milliardenschwere Reparationszahlungen wegen des Zweiten Weltkriegs zu bezahlen, ist keine Marotte von Anel-Chef Panos Kammenos, sondern wird von fast allen Parteien in Griechenland vertreten. Mehr Staat, weniger Markt – das ist Konsens zwischen rechts und links wie die Wiederherstellung der „nationalen Souveränität und Würde“.

Daß Kammenos mit einer Tochter aus der Joghurt-Dynastie von Athanassios Filippou (FAGE-Konzern) verheiratet war und daß Kammenos’ Vater durch den Autoimport aus dem einstigen Ostblock reich wurde, mag Anlaß für Spekulationen sein. Schon 1989 bildete die ND eine Koalition mit den Kommunisten, um so die korrupte sozialistische Pasok-Regierung abzulösen.

Foto: Alexis Tsipras grüßt mit der gewohnten Faust: Als erstes besuchte der neue Präsident das Mahnmal für den Widerstand gegen die Wehrmacht

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