© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Deutsche Post plant Ausgliederung von Paketboten
Radikale Einbußen
Jörg Fischer

Benchmarking Production 5000 x 5000“, so hieß 1999 das Lohnsenkungskonzept des damaligen VW-Arbeitsdirektors Peter Hartz. Danach sollten 5.000 neue Stellen bei Volkswagen entstehen – für jeweils 5.000 D-Mark Bruttolohn. Um die Produktion an deutschen Standorten zu sichern, stimmte die IG Metall dem Plan des späteren „Hartz IV“-Namensgebers letztlich zu, der Tarifeinbußen von 15 bis 20 Prozent festschrieb. Anderthalb Jahrzehnte später entsprechen den 5.000 D-Mark inflationsbereinigt etwa 3.200 Euro. Ein Einkommen, von dem viele Zeit- und Werksvertragsarbeiter in der deutschen Autobranche heute nur träumen können.

Nun kündigte ein weiterer Dax-Konzern mit staatlicher Beteiligung an, daß es noch radikaler geht: Die Deutsche Post will künftig bis zu 20.000 Zusteller zu neugegründeten Billig-GmbHs namens DHL Delivery abschieben – für knapp über zehn Euro pro Stunde. Der Verdi-Tariflohn der Logistikbranche bedeutet 20 bis 30 Prozent weniger im Vergleich zu bisherigen Postlern mit 2.000 bis 2.200 Euro Monatslohn plus Zulagen. Die Post begründet ihr Ausgliederungsprogramm mit dem verschärften Wettbewerb – was nur zum Teil stimmt. Dank Amazon, Otto & Co. wächst das Paketgeschäft zweistellig, der Post-Vorsteuergewinn stieg 2014 auf weit über eine Milliarde Euro. Auch der US-Konkurrent UPS bezahlt ähnlich wie die Post. Und daß Hermes, DPD oder GLS auf selbstausbeutende Subunternehmer setzten können, ist nicht nur der Bundespolitik seit Rot-Grün zu verdanken, sondern auch dem völligen Versagen der Gewerkschaften.

„Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Sozialpartnerschaft“, klagt nun Verdi-Vize Andrea Kocsis. Doch den „sozialpolitischen Skandal ersten Ranges“ wird die stellvertretende Post-Aufsichtsratschefin kaum verhindern: Dafür ist die DGB-Gewerkschaft viel zu sehr mit Themen wie „Antidiskriminierung“, „Antirassistischer Bildungsarbeit“, „Demos gegen Rechts“, „Genderpolitik“ oder „Lärm im Großraumbüro“ beschäftigt.

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