© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Deutschland verärgert Polen und Tschechen
Logistikgewerbe: Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer fraglich / Brüssel pocht auf Entsenderichtlinie / Droht deutschen Spediteuren der „Super-Gau“?
Paul Leonhard

Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland belastet zur Zeit das Verhältnis zwischen Berlin und mehreren mittel-osteuropäischen Ländern. Insbesondere Polen, Tschechien, Litauen und die Ukraine befürchten gravierende Nachteile für ihre Transportunternehmen. Denn der zu Jahresbeginn gesetzlich festgeschriebene Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro gilt auch für Angestellte ausländischer Firmen, wenn diese auf deutschen Straßen unterwegs sind.

Vor allem daß es keine Übergangsregelungen gibt, empört die Betriebe in den Nachbarländern. In der Tschechei etwa beträgt der Stundenlohn eines Fahrers zwischen zwei und vier Euro.

„Das Gesetz steht nicht im Einklang mit EU-Recht“

„Solch ein Tarif verringert drastisch die Konkurrenzfähigkeit der Firmen aus Ost- und Mitteleuropa, wo die Löhne bedeutend niedriger sind“, schreibt die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza und warnt: Wenn sich die polnischen Firmen deswegen aus Deutschland zurückziehen müßten, würde in nur wenigen Monaten die Transportbranche zusammenbrechen. Diese ist aber für die Gesamtwirtschaft Polens genauso wichtig wie der Bergbau. Von „feindlichem Handeln gegen die polnische Wirtschaft“ spricht gar der Breslauer Transportunternehmer und Ex-Sejm-Abgeordnete Władysław Frasyniuk.

Auch Prag droht. „Unserer Einschätzung nach ist das deutsche Gesetz nicht im Einklang mit europäischem Recht“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Man werde Deutschland um Klärung bitten, wie der Mindestlohn umgesetzt werde. Warschau hat die Antwort bereits vorliegen: „Wer hier in Deutschland arbeitet, und sei es nur temporär, der bekommt den Mindestlohn“, ließ Abeitsministerin Andrea Nahles (SPD) der polnischen Botschaft mitteilen.

Inzwischen sind fünf polnische Europaabgeordnete bei der EU-Kommission vorstellig geworden. Die Behörde sieht indes auf Grundlage ihr „vorliegender Informationen“, daß die Mindestlohnvorschriften nicht im Einklang mit der EU-Entsenderichtlinie stünden. Beklagt wird auch der zusätzliche Bürokratieaufwand. Die ausländischen Spediteure müssen exakt auflisten, wann welcher ihrer Fahrer auf deutschen Straßen unterwegs ist.

Die deutschen Spediteure warnen schon vor einem „Super-Gau“. Das Arbeitsministerium müsse angesichts der Brüsseler Drohung „unterlassene Hausarbeiten nachholen, um Schlimmeres zu verhindern“, so der Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL). Notwendig seien auch wirksame Kontrollen, um einen „fairen Wettbewerb“ zu gewährleisten. Dafür fehlt dem deutschen Zoll aber das Personal.

Bundesverband Güterkraftverkehr www.bgl-ev.de

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