© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Die innere Ruhe bewahren
Philosophischer Salon: Die JF im Gespräch mit der Gründerin und Leiterin Christiane Pohl
(JF)

Frau Dr. Pohl, Sie führen in Hamburg seit über zwanzig Jahren eine Philosophische Praxis, und seit nunmehr fünf Jahren bieten Sie zusätzlich Seminarreisen zu den unterschiedlichsten philosophischen Themen an. Wenn wir uns die einzelnen Seminare und Themen ansehen, ist festzustellen, daß Sie sich keineswegs nur mit den klassischen Themen wie Platon, Kant oder Schopenhauer befassen. Was leitet Sie bei der Themenwahl?

Pohl: Bei der Themenwahl spielen die Gespräche mit den Menschen, die zum Gespräch in meine Praxis kommen, eine bedeutsame Polle. Ich bin so immer direkt am Puls der Zeit.

Spielen in Ihren Seminaren daher auch ganz aktuelle Ereignisse eine Rolle oder diskutieren Sie mit Ihren Teilnehmern und Zuhörern nur allgemeine philosophische Themen?

Pohl: Die aktuellen Ereignisse tauchen immer in meinen Seminaren auf. Das macht Philosophie ja gerade so spannend, nämlich daß sie immer etwas Wesentliches beizutragen hat – sei es zu gesellschaftlichen oder politischen Themen oder im persönlichen Leben. Ganz wichtig ist mir dabei, daß ich die philosophischen Gedanken so darstelle, daß sie jeder leicht nachvollziehen kann. Im Gespräch darüber geht es meist sehr lebhaft zu, es wird auch viel miteinander gelacht und bei berührenden Themen flossen sogar schon die Tränen.

Zur Zeit erleben wir aufregende, bewegende und bewegte Zeiten. Was fühlen Sie und was sagen Sie dazu?

Pohl: Diese bewegten und bewegenden Zeiten zeigen mir, daß es gut ist, wenn man nicht zum Spielball äußerer Emotionen wird, sondern bei allen Turbulenzen eine innere Ruhe bewahren kann.

Das klingt einleuchtend, aber wie erreicht man das, und können Sie diese persönlichen Erfahrungen weitergeben?

Pohl: Philosophieren, so wie ich es verstehe, führt zu einer Stärkung der inneren Existenz. Wenn man das erreicht, steht man voll im Leben und nimmt teil an den bewegten Zeiten. Aber man bewahrt seine Souveränität und läßt sich nicht scheuchen oder verängstigen.

Das finde ich beeindruckend, aber wie vermitteln Sie das anderen?

Pohl: Da gibt es vom äußeren Rahmen her gesehen viele Möglichkeiten. Es sind natürlich die Seminare, aber auch Einzelgespräche in meiner Praxis. Hinzu kommen Veröffentlichungen, einige TV-Beiträge, und auch im Rundfunk bin ich zu hören.

Und die Inhalte und Anregungen vermitteln Sie also auch auf Ihren Seminarreisen? Setzt das gute philosophische Kenntnisse voraus?

Pohl: Nein, das ist nicht nötig, denn wie gesagt, stelle ich die Inhalte leicht nachvollziehbar dar – das liegt mir besonders am Herzen. Und für viele ist ein wichtiger Grund, bei uns teilzunehmen, daß bei uns die Möglichkeit besteht, wirkliche Gesprächspartner zu finden, mit denen man sich austauschen kann und zwar in einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung. Natürlich gehen auch mal die Meinungen auseinander, zum Beispiel bei der Frage, was Gerechtigkeit ist oder worauf man im Leben bauen kann. Aber immer bleibt die Basis die gegenseitige Anerkennung. Das zu erleben ist für viele wohltuend und eröffnet auch erst den Raum für ein vertieftes Nachdenken.

Womit wir beim Philosophieren wären ...

Pohl: Richtig, aber anders als in einer angenehmen, wohltuenden Atmosphäre kann ich mir das gar nicht vorstellen. Wir diskutieren über die unterschiedlichsten Themen wie Freiheit, Gott oder Lebenskunst und was Philosophen dazu gesagt haben oder heute dazu sagen. Und während wir darüber sprechen, entsteht bei jedem Teilnehmer eine persönliche Stellungnahme dazu, ob er sie nun äußert oder nicht. Denn wer bei uns einfach nur still zuhören möchte, ist natürlich ebenfalls sehr willkommen.

Für das Seminar in Neuruppin haben Sie „Deutschland – Quo vadis?“ gewählt und leiten das mit einem Zitat von Heinrich Heine ein. Wofür steht das Zitat? Bangen Sie etwa um Deutschland oder geht es hier um Literatur?

Pohl: Um Literatur geht es nicht, obwohl ich sehr gerne auch mal ein Gedicht einfließen lasse. Und viele unserer Teilnehmer tun das zu meiner Freude auch. In dem Neuruppin-Seminar werden ganz gezielt aktuelle Themen aufgegriffen. Und hier ist so mancher genau wie einst Heinrich Heine „um den Schlaf gebracht“. Aber ich möchte gerne ein Forum eröffnen, in dem wir – auch auf der Basis von kurzen, klugen Texten – offen und frei unsere Gedanken austauschen können. Auch werden wir von einem Fachmann in einige relevante volkswirtschaftliche Aspekte eingeführt. So mancher neue Gesichtspunkt eröffnet sich dann, und auch der Austausch darüber ist für viele wohltuend.

Wie kann ich mir eigentlich ein mehrtägiges Seminar verbunden mit einer Reise vorstellen?

Pohl: Die Reisen sind eine gute Mischung aus Studien und Vergnügen, denn neben den Seminareinheiten gibt es ein Rahmenprogramm mit nicht alltäglichen Ausflügen und Unternehmungen. Ganz bewußt bieten wir die Reisen nur für kleine Gruppen an, damit sich unter den Teilnehmern ein besserer Kontakt entwickeln kann. Und es sind immer so sympathische Menschen dabei, mit denen man sich endlich einmal gut unterhalten kann.

Welche weiteren Seminarreisen haben Sie in diesem Jahr geplant?

Pohl: Ich meine, wir haben in diesem Jahr sehr schöne Seminarreisen vor uns, und ich freue mich auf jede einzelne Reise. Da ist zunächst im März in Stendal die Wiederholung der „Begegnungen mit Immanuel Kant“. Die Nachfrage nach diesem Seminar war sehr groß und viele Interessenten baten um einen weiteren Termin, weil sie im letzten Jahr verhindert waren. Ich bin sehr berührt davon, daß doch viele Menschen diesem ungeheuer bedeutenden Philosophen begegnen wollen. Die Inhalte des Kant-Seminars sind unverändert. Wir haben nur das Rahmenprogramm deutlich gekürzt.

Danach sind wir Anfang April in Freiburg mit „Heidegger“, und ich glaube versprechen zu können, daß jeder Teilnehmer hinterher viel von ihm verstanden haben wird. Und nicht nur das: Heidegger eröffnet ein Gefühl und ein Denken für das Nicht-Offensichtliche. Das ist ganz toll! ​

Und, wie bereits erwähnt, im Juni in Neuruppin widmen wir uns dann einmal gezielt einigen aktuellen Fragen, die uns alle bewegen.

In Danzig im September geht es noch einmal um Kant, unter anderem um seine Schrift „Was ist Aufklärung?“, die für uns heute wieder besonders wichtig ist, und natürlich wird es auch um Schopenhauer gehen. Danzig ist ja seine Geburtsstadt, und Schopenhauer hat uns bis heute viel Wertvolles zu sagen – denken wir nur an seine Lebensweisheiten.

Dieses Seminar bieten wir ausnahmsweise mit Anreise ab und bis Berlin an. Wer mag, kann bequem und komfortabel mit uns in unserem Bus, der uns auch in Danzig zur Verfügung stehen wird, reisen. Wer die Anreise lieber in Eigenregie durchführen möchte, kann das selbstverständlich auch selber organisieren.

Warum gehen Sie eigentlich auf Reisen und bleiben nicht im schönen Hamburg?

Pohl: Auch in Hamburg bieten wir regelmäßig Seminare an, besonders in der Verbindung „Philosophie und Kunst“. Aber auf Reisen sind wir so herrlich aus dem Alltag herausgelöst und lernen nebenher unser wunderbares Land auf eine schöne Weise besser kennen. Ganz bewußt wählen wir Orte, die bei vielen den Gedanken auslösen: „Ach, da wollte ich auch schon immer mal hin.“ Danach kann man gestärkt und bereichert in den Alltag und unsere bewegten Zeiten zurückkehren.

Frau Dr. Pohl, wir bedanken uns für das Gespräch.

 

weitere Interview-Partner der JF  

Christiane Pohl

Dr. phil. Christiane Pohl betreibt im im Universitätsviertel Hamburgs eine „Philosophische Praxis“. Hier führt sie Gespräche mit Menschen, die sie wegen ihrer individuellen Lebensproblematik aufsuchen.

In ihren Vorträgen und Seminaren berücksichtigt Christiane Pohl die Erfahrungshintergründe ihrer Zuhörer, vermittelt Wissen und stellt gerne auch die heitere Seite der Philosophie dar.

Auf ihren Veranstaltungen legt sie großen Wert auf einen lebhaften Gedankenaustausch mit ihren Zuhörern. Christiane Pohl schreibt Aufsätze und Artikel für Bücher, Fach- und Publikumszeitschriften und ist in Hörfunk- und Fernsehsendungen aufgetreten.

Sie ist Mitglied im Berufsverband Philosophische Praxis, wo sie auch als Dozentin tätig ist.

Der Philosophische Salon ist ein Forum für an Philosophie und Kultur interessierte Menschen. Hier können sie mit einer Philosophin in einem exklusiven Rahmen philosophieren und diskutieren oder sich mit Experten über kulturelle Themen austauschen. Seit 2011 bietet der Philosophische Salon auch mehrtägige Seminarreisen zu unterschiedlichen Zielen an.

Diese exklusiven Seminare bieten ein anspruchsvolles und unterhaltsames Programm: in entspannter Urlaubsatmosphäre Neues entdecken und Bekanntes vertiefen. Ein vielseitiges, ausgefallenes Rahmenprogramm ergänzt die Seminare.

Eine Gruppe besteht aus mindestens zehn bis maximal zwanzig Personen, damit jeder die Möglichkeit hat, sich an den anregenden Diskussionen zu beteiligen.

Kontakt: Philosophische Praxis, Dr. phil. Christiane Pohl, Grindelallee 159, 20146 Hamburg, Telefon: 040 / 4 10 27 66, E-Mail: philopohl@t-online.de www.philosophische-praxis-hamburg.de

Fotos: Besuch in Tangermünde: So hoch stand die Elbe während der Flutkatastrophe 2013; Belohnung für den erfolgreichen Aufstieg: Besichtigung der imposanten Burg- und Klosterruine Oybin, ein beliebtes Motiv der Romantik, das auch Caspar David Friedrich zu seinem berühmten Gemälde inspirierte; Floßfahrt auf der Havel: Bei bestem Wetter sorgt eine fröhliche Floßfahrt auf der Havel für Entspannung. Auf den Flößen erholen sich die Teilnehmer bei Kaffee und Tee von den Philosophiestudien am Vormittag und genießen die Mark Brandenburg vom Wasser aus

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