© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Mit Preußen zur Großmacht
Mario Kandil zum Aufstieg Otto von Bismarcks
Manfred Backerra

Der Historiker Mario Kandil nähert sich im Jubiläumsjahr Otto von Bismarck von seinen politischen Anfängen bis zum Gipfel seiner Karriere. Diesen dürfte der preußische Ministerpräsident und Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes erreicht haben, als mit dem Sieg in Frankreich und der Proklamation in Versailles am 18. Januar 1871 der „kleindeutsche“ Nationalstaat geschaffen wurde, dessen Geschicke er dann fast zwanzig Jahre als Reichskanzler lenken durfte.

Der in der Altmark geborene Aristokrat war zunächst ausschließlich Preuße und damit entschiedener Gegner Österreichs, Preußens innerdeutschem Rivalen seit spätestens 1740. Im Gegensatz zu Österreich blieb er auch, als er die enge Sicht eines preußischen Junkers erweitert und die deutsche „Berufung“ Preußens erkannt hatte. Denn wenn eine preußische Vormachtstellung für einen deutschen Nationalstaat Geltung haben sollte, mußte Österreich draußen bleiben. Mit dem Sieg von Königgrätz am 3. Juli 1866 war diese Grundbedingung erfüllt.

Danach erwies er sich als nüchtern weitblickender Realpolitiker: Weil er Österreich für die Zukunft als Bündnispartner gewinnen wollte, setzte er gegenüber König Wilhelm I. und seinen Militärs eine per saldo recht schonende Behandlung des Besiegten durch. Auch damit schuf Bismarck grundlegende Voraussetzungen dafür, daß das unter preußischer Führung stehende Deutsche Reich 1871 durch die Zurückhaltung Wiens in Versailles proklamiert werden konnte.

Kandil verschafft dem Leser eine plastische Vorstellung der Person Bismarcks und seiner Politik, die ihm Berufung war – obgleich er sich oft bitter darüber beklagte, daß ihn die Zwänge seiner politischen Ämter fast komplett absorbierten. Kandil leuchtet die historischen Hintergründe aus und offenbart ausführlich die Viten von Mit- und Gegenspielern.

Kandils geschliffene Sprache, gewürzt durch sporadisch eingefügte Wertungen, liest sich sehr gut, die Kapiteleinteilung ist einleuchtend und logisch. Dem Kenner präsentiert Kandil allerlei interessante Einzelheiten und plausible Zusammenhänge, dem Erstinteressierten ein kompaktes Erlebnis der entscheidenden Phase des 19. Jahrhunderts in der Mitte Europas.

Mario Kandil: Bismarck. Der Aufstieg 1848–1871. Hohenrain Verlag, Tübingen 2014, gebunden, 256 Seiten, Abbildungen, 18,80 Euro