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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Grüße aus Brüssel
Völlig überfremdet
Carl Gustav Ströhm

Die belgische Küche sei ganz besonders, sagte man mir damals, als ich meine Zelte in Wien abbrach und berufsbedingt nach Brüssel zog. Die Frittenbuden, wie das Maison Antoine am Place Jourdan, oder die unzähligen Konfiserien machen jedweden Neujahrsvorsatz bezüglich Gewichtsreduzierung schier unmöglich. Die Weine und das gute belgische Trappistenbier, welches man nur in parazelsischer Dosierung verträgt, machen die größtenteils nebligen und düsteren Wintertage in guter Gesellschaft erträglich.

Fleischereien, Pizzabuden und Kebabstände verkaufen alles nur halal.

Neben den typisch belgischen findet sich, wie schon fast überall in Europa, auch die orientalische Küche in der Hauptstadt Europas. Die Fleischereien, Pizzabuden und Kebabstände verkaufen natürlich alles nur halal. Sie haben sich längst ihrer immer größer werdenden Klientel angepaßt, so daß es für einen Auslandsösterreicher zu einer Unmöglichkeit wird, ein profanes Schweineschnitzel oder gar einen Lungenbraten zu kaufen.

Gerade diese Selbstverständlichkeit, in ganz Brüssel überall Halalfleisch zu erhalten, hatte ich in Wien nie erfahren. Belgien ist halt doch „offener“ gegenüber anderen Kulturen, vor allem wenn es den Islam betrifft.

Generell mutet das Viertel, in dem ich wohne, eher orientalisch als okzidentalisch an. Gehe ich auf die Straße, sehe ich meist verschleierte Frauen, manchmal sogar ganzkörperverschleiert. Und gleich bei mir um die Ecke ist eine Moschee samt algerischem Kulturzentrum, in dem Bärtige in anmutigen Pyjamas ein- und ausgehen.

Eigentlich hatte ich mir Brüssel immer wie in dem Comic „Asterix bei den Belgiern“ von Goscinny/Uderzo vorgestellt. Da sitzen dann festere oder gar beleibte Herren um vier Uhr nachmittags bei ihren Fritten und Bier und lachen oder streiten über dies und jenes.

Statt dessen sehe ich minzteetrinkende Männer, die mich beim Vorbeigehen bei einer Portion Couscous befremdet ansehen und sich fragen, was ich hier eigentlich mache.

Die autochthonen Belgier sind längst aus diesem Viertel verschwunden und haben sich in die Vorstädte zurückgezogen.

Hie und da treffe ich noch einige und erlebe dieses Bild „à la Belgique“. Doch größtenteils findet man auch hier nur noch die Schlipsträger der europäischen Institutionen oder großer Firmen, verschleierte Frauen und die skeptischen Blicke der teetrinkenden Männer vor.