Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

„Das ist kein journalistisches Umfeld“
Lügenpresse: Der frühere ARD-Reporter Christoph Fröhder entlarvt die unkritische Arbeitsweise der ARD
Henning Lindhoff

Ich bin durch mit der Tagesschau. Ich bin durch mit den Tagesthemen.“ Harte Worte ließ Christoph Maria Fröhder im aktuellen Spiegel fallen. „Das ist kein journalistisches Umfeld für mich. Ich stoße da auf Leute, denen die Administration wichtiger ist als guter Journalismus. Diese Strukturagenten ersticken den Journalismus. Ich habe es einfach satt“, ließ der Träger des Hanns-Joachim-Friedrichs- und des Deutschen Kritikerpreises wissen.

Er berichtete unter anderem von seinen Bittgängen zu den Korrespondenten der ARD, die ihm das Betreten „ihrer Gebiete“ erst erlauben mußten: „Es war immer auch ein Kampf gegen das System, dorthin zu kommen. Es war ein Kampf gegen die einzelnen Anstalten, gegen die Redaktionen, gegen die ewigen Besitzstandswahrer. Es geht da meistens nicht um Journalismus oder Qualität. Es geht bloß um Macht.“

Vor allem um den Ausbau derselben. Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Spiegel-Interviews bot das ZDF in seiner Satire-Sendung „Heute-Show“ beachtliches Beweismaterial. Ein Interview mit Marlena Schiewer, der jugendpolitischen Sprecherin der Linkspartei in Görlitz, wurde von der Redaktion derartig verstümmelt, daß es dem unbedarften Zuschauer erscheinen mußte, als wandle hier eine verkappte NPD-Anhängerin unter dem AfD-Deckmäntelchen.

ARD-„Panorama“ bezichtigte selbst 2011 RTL der Lüge

Denn Frau Schiewer berichtet: „Hier auf dem Dorf gibt es ziemlich viele Leute, die rechter Meinung sind und die einfach sagen, ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist, und deswegen wähle ich jetzt die AfD. Ich sage immer, das ist die NPD in freundlich.“ Aus dieser Aussage schnitt das Team der „Heute-Show“ den einleitenden Satz heraus und drehte Frau Schiewer damit von links auf rechts.

Zwar gab sich die Jungpolitikerin später genauso zufrieden mit einer lapidaren Entschuldigung des ZDF wie die Großkopferten der Linken, doch dokumentiert dieser Fall keinesfalls einen banalen Fauxpas in der Postproduktion, sondern das Exempel für eine der effizientesten medialen Manipulationstechniken. Wer kann schon genau beziffern, wie viele Interviews mit AfD-Wählern und Pegida-Spaziergängern bereits gekürzt worden sind, ohne daß sich nach der Ausstrahlung auch nur der Funke eines Schamgefühls in den Seelen der Medienmacher entzündete? Es steckt sicherlich nicht nur ein Bauchgefühl dahinter, wenn deutsche Bürger über die sogenannte Lügenpresse schimpfen.

Das Fröhder-Interview und der „Heute-Show“-Skandal sind geeignet, die Debatte um den Begriff Lügenpresse aufs neue zu befeuern. Seit Wochen diskutiert Deutschland darüber wieviel Lüge in unseren Leitmedien steckt, worauf kaum jemand empörter reagiert als öffentlich-rechtliche Fernsehjournalisten. Dabei war es die „Panorama“-Redaktion (ARD), die 2011 ihre Kollegen von RTL mit dem Schmähwort „Lügensender“ charakterisierte. Im Austeilen top, im Einstecken flop.

Doch leider sind viele private Medien nicht besser als die mit Zwangsgebühren finanzierten Rundfunkkanäle. Am vergangenen Montag machte mal wieder das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) auf sich aufmerksam. Das Team aus Rechercheuren des britischen Guardian, der Süddeutschen Zeitung und der staatstragenden Sender BBC, WDR und NDR widmet sich bereits seit Jahren dem Kampf gegen Steuerhinterziehung.

Nach den Offshore Leaks und den Luxemburg Leaks freuen sie sich nun über die Swiss Leaks und malträtieren Kunden der Großbank HSBC, anstatt die Machenschaften der Finanzämter aufzudecken, wie es sich für staatskritische Medien ziemen würde. Im Klüngel der ICIJ querfinanzieren sich die vermeintlich privaten Blätter aus München und London mit den von NDR, WDR und BBC erpreßten Zwangsgebühren.

„Die Landesmedienanstalt überwacht Fernsehangebote“

Und der Eindruck, daß private und öffentlich-rechtliche Medienschaffende längst am gleichen Strang ziehen, wird nicht nur vom ICIJ genährt. Spiegel TV beispielsweise produziert seit eh und je Talkshows, Reportagen und Dokumentationen auch für ARD, ZDF und 3sat – zum Beispiel die Sendungen von Markus Lanz und Johannes B. Kerner. Wer beißt schon gern die Hand, die ihn füttert?

Die Zwangsgebühren stellen dabei nur das verlockende Zuckerbrot dar. Wer nicht anbeißt, dem droht die Peitsche – in Form der Landesmedienanstalten. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, werden aus den Einnahmen des Beitragsservices finanziert und überwachen, kontrollieren sowie sanktionieren die privaten Fernsehsender.

Auf ihrer Internetseite äußert sich exemplarisch die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen zu ihrem Auftrag: „Leider sind die ausgestrahlten Inhalte nicht immer so gut, wie die Zuschauer es gerne hätten. Oft genug bieten Fernsehbilder Anlaß für Ärger, Entsetzen oder Unverständnis. Die Landesanstalt für Medien überwacht Fernsehangebote auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Die journalistische Sorgfaltspflicht wird überprüft.“

Geben die kontrollierten Medienmacher Anlaß zur Sorge, kann schnell mit dem Entzug der Sendelizenz gedroht werden. Wie unabhängig ist ein Sender, der in diesem Umfeld betrieben wird?

Foto: ARD-Reporter Christoph Maria Fröhder (2003): „Schlechte Erfahrungen mit dem System gemacht“