© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Das Maß ist voll
Dänemark: Nach dem islamistischen Anschlag zeigt sich das Land in Schockstarre vereint
Josef Hämmerling

Für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist das Maß voll. Wieder einmal habe der „extremistische islamistische Terror“ Europa getroffen, erklärte er kurz nach den Attentaten in Kopenhagen. „Wieder“ seien auf „europäischem Boden Juden ermordet“ worden, „nur weil sie Juden waren“. Es sei „zu erwarten, daß diese „Welle von Terroranschlägen – einschließlich mörderischer antisemitischer Anschläge – weitergehe“, fuhr er fort und rief zu einer Masseneinwanderung auf: „Israel ist die Heimat jedes Juden.“

Oppositionelle Volkspartei stellt unangenehme Fragen

Der 22jährige Omar Abdel Hamid El-Hussein hatte Samstag nachmittag mit einer Maschinenpistole zuerst mehr als 50 Schüsse auf das Kulturcafé Krudttønden (Pulverfaß) abgegeben, in dem zu der Zeit eine Veranstaltung über Meinungsfreiheit stattfand. Der Angriff galt offenbar dem Karikaturisten Lars Vilks, der seit 2007 unter Polizeischutz steht, nachdem er den Propheten Mohammed als Hund gezeichnet hatte. Im Kugelhagel starb der 55jährige Regisseur Finn Norgaard. Drei Polizisten wurden verletzt.

Sonntag nacht versuchte den Ermittlungsbehörden zufolge der in Dänemark geborene Sohn palästinensischer Eltern eine Synagoge in der Kopenhagener Innenstadt zu stürmen. Dort erschoß er den jüdischen Wachmann Dan Uzan und verletzte zwei Polizisten. Danach sei er zu seiner Wohnung im Problemviertel Nørrebro geflüchtet. Nach dem Hinweis eines Taxifahrers wurde die Wohnung von der Polizei überwacht. Als die Polizisten den Palästinenser ansprachen, kam es zu einem Schußwechsel, bei dem er getötet wurde. Wenig später verhaftete die Polizei zwei mutmaßliche Helfer.

El-Hussein hatte sich in der Vergangenheit der Streetgang „Brothas“ angeschlossen und war den Behörden wegen Gewalt- und Drogendelikten bekannt. Erst vor drei Wochen kam er auf Bewährung frei, nachdem er im Streit einen 19jährigen in der U-Bahn niedergestochen hatte. Im Gefängnis habe Omar H. mehrfach seinen Haß auf Israel geäußert und angekündigt, sich dem IS in Syrien anschließen zu wollen, berichten dänische Medien. Aus diesem Grund sei er von den Sicherheitsbehörden auf eine Überwachungsliste gesetzt worden.

Dänemark zeigte sich parteiübergreifend geschockt. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sprach von einem „zynischen Akt der Gewalt“ und erklärte, niemand dürfe ungestraft die „offene, freie und demokratische Gesellschaft angreifen“. Sie wandte sich aber auch gegen den Appell Netanjahus. Es sei die Tat eines Einzeltäters, die Mehrheit der in Dänemark lebenden Moslems sei friedlich.

Im Kampf um den Erhalt der freien Gesellschaft müsse das Land zusammenstehen, erklärte auch der Vorsitzende der rechtskonservativen oppositionellen Dänischen Volkspartei (DF), Kristian Thulesen Dahl, via Facebook. Dennoch dürfe sich die Politik nicht verweigern, Antworten auf einige Fragen zu geben: „Warum gibt es keine Grenzkontrollen? Warum wird nicht sichergestellt, daß nur so viele Einwanderer zugelassen werden, wie auch in die Gesellschaft integriert werden können? Warum werden Parallelgesellschaften nicht verhindert, warum der Islamismus nicht stärker überwacht?

Notwendig, so Thulesen Dahl, sei jetzt eine politische Kursänderung, die wieder mehr Wert auf dänische Interessen setze und nicht den Multikulturalismus als oberstes Ziel habe.

Foto: Gedenken vor der Synagoge in Kopenhagen: Tote trotz Warnungen

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