© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Die US-Regierung geht an die Ersparnisse der Mittelschicht
Hilfe, zu wenige Reiche
Thomas Kirchner

Es gibt nicht mehr genug Reiche in der Welt, die man noch höher besteuern kann. Das ist die unausgesprochene Grundlage von Präsident Obamas neuesten Plänen zur Steuerreform. Deshalb bittet er jetzt mittlere Einkommen zur Kasse. Zwar konzentrierten sich die Schlagzeilen auf seinen Vorschlag, Steuern auf Kapitalgewinne von 20 auf 28 Prozent zu erhöhen – also knapp das Doppelte der von seinem Vorgänger eingeführten 15 Prozent. Eine Steuererhöhung, die zweifellos in erster Linie die Besserverdiener und Vermögenden treffen wird. Doch seiner Regierung ist klar, daß dabei einfach nicht genug zusammenkommt, um neue, ehrgeizige Sozialprogramme aufzulegen.

Also müssen die mittleren Einkommen blechen. Doch es wäre politischer Selbstmord, die Steuern für eine Gruppe zu erhöhen, der die Regierung jahrelang vorgegaukelt hat, sie allein würde Steuern zahlen, während die Reichen überhaupt nichts fürs Gemeinwohl tun. In Wirklichkeit zahlt die untere Hälfte der Einkommensskala in den USA, ähnlich wie in Deutschland, netto keine Steuern, während die obere Hälfte die Gesamtheit der Steuerlast trägt. Die oberen zehn Prozent berappen in den USA und Deutschland gar die Hälfte der Steuereinnahmen. Trotzdem ist der Durchschnittsverdiener hier wie dort felsenfest davon überzeugt, die Steuerlast wäre ungerecht zu seinem Nachteil verteilt. Also muß Obama zu einem cleveren Trick greifen und die Steuererhöhung im Dickicht von Verwaltungsvorschriften verstecken. Da trifft es sich gut, daß es in den USA Sparpläne gibt, mit denen die Mittelschicht steuerbefreite Rücklagen für die dort bekanntermaßen immensen Studiengebühren des Nachwuchses bilden kann, also sozusagen ein Studien-Riester. Unter Obamas neuen Plänen sollen diese Rücklagen jetzt voll steuerpflichtig werden.

Das Absurde daran: Aus den Einnahmen sollen neue Stipendien für Studenten finanziert werden, deren Eltern keine Rücklagen gebildet haben. Arme Familien werden von diesem Projekt nur selten profitieren, denn schon heute gibt es für wirklich Bedürftige aus einkommensschwachen Familien umfangreiche Stipendien und Förderungen. Nutznießer sind vor allem die Kinder der Mittelschicht, deren Einkommen über der Fördergrenze liegen. Die haben bisher entweder Ersparnisse der Eltern genutzt oder Studienkredite aufgenommen. Jetzt kommen sie in den Genuß einer Umverteilung von der verantwortungsvollen, sparsamen Mittelschicht hin zu Hallodris, die den Konsumrausch voll ausleben und keine Rücklagen bilden.

Obama beweist nicht nur, daß Reichensteuern an die Grenzen der Machbarkeit stoßen, sondern auch, daß die Gießkannenumverteilung im modernen Sozialstaat absurde Kapriolen schlägt und dabei Grundlagen des Wohlstands, nämlich Eigenverantwortung und Kapitalbildung, immer stärker aushebelt.

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