© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Täta-Täta
In der Bütt: Bei einem schlechten Witz kann das Publikum auch schon mal schweigen
Richard Stoltz

Abgesagte Rosenmontagszüge (siehe Braun-schweig), aus den Zügen herausgenommene Themenwagen (siehe Köln) – der diesjährige Karneval war nicht gerade ein Vorbild für mutig bezeugte Freiheit des Humors. Das Publikum war offenbar mutiger als die verantwortlichen Narren und Obernarren auf den Kutschböcken oder in der Bütt.

Typisch ein Vorgang aus der „schwäbischen Fasnet“, den Millionen von Fernsehzuschauern auf SWR miterleben konnten. Im allgemeinen reißt der Narr ja seinen Witz, das Begleitorchester macht Tätä-Tätä, und das Publikum lacht und spendet Beifall. Doch hier war es so, daß der Mann in der Bütt seinen Witz losließ, das Orchester trommelte und Tätä machte – aber das Publikum schwieg! Kein Lacher war zu hören, niemand rührte die Hände. Und das Orchester verkniff sich erschrocken sein zweites Tätä.

Der Witz war folgendermaßen gegangen: „Mein Gott, im Rathaus ist eine Treppe eingestürzt. Drei Beamte wurden verletzt.“ (Pause) „Aber Menschen kamen nicht zu Schaden.“ Tätä. Ein schlechter Witz, natürlich. Doch die meisten Witze, die uns aus der Bütt entgegenschallen, sind nicht besonders oder allerhöchstens mittelmäßig. Das Publikum klatscht trotzdem, und die Kameras fahren die Sitzreihen ab und zeigen lachende Gesichter. Witz und Tätä und lachender Beifall bilden ein feststehendes Ritual, das man strikt einhält, besonders wenn das Fernsehen anwesend ist.

Hier jedoch wurde das Ritual trotz Fernsehen vom Publikum bewußt durchstoßen. Der Zuschauer vor dem Bildschirm spürte richtig, was es sich dabei dachte. „Vor den islamistischen Mordbuben“ so dachte es wohl, „ziehen sie den Schwanz ein, aber wenn es um harmlose deutsche Beamte geht, finden sie nichts daran, sie mir nichts, dir nichts aus der Menschheit auszuschließen. Und halten es sogar noch für einen Witz, für einen echten Karnvalswitz. Bitte, nicht mit uns!“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen