© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Zeitschriftenkritik: Tätowier-Magazin
Tattoos für christliche Pilger
Thorsten Thaler

Der Kreuzritter Gottfried von Bouillon, Gründer des Königreichs Jerusalem, verwendete es seit Ende des 11. Jahrhunderts als Wappen, Anton Razzouk trägt ein Kreuz mit der Jahreszahl 1948 auf seinem rechten Oberarm als Tattoo. Gestochen hat es ihm sein Vater Yacoub. Die aus Ägypten stammenden Vorfahren der Razzouks – koptische Christen – können auf eine rund 700jährige Geschichte in der Kunst des Tätowierens zurückblicken; eine Tradition, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Ein Motivstempel von 1749 aus dem Besitz der in Jerusalem ansässigen Familie beweist, daß die Razzouks die älteste Tätowierfamilie der Welt sind. Ihre Spezialität: christliche Symbole, Pilgertattoos.

Über die Pilgertätowierungen in Jerusalem berichtet eine Reportage des promovierten US-Anthropologen Lars Krutak, der am Nationalmuseum für Naturgeschichte in Washington, D.C. arbeitet und sich mit der Kultur des Tätowierens beschäftigt, in der aktuellen Ausgabe des monatlich mit einer Auflage von etwa 45.000 Exemplaren erscheinenden Tätowier-Magazins (2/2015). Danach zählt noch heute das Jerusalemkreuz zu den beliebtesten Motiven bei christlichen Pilgern. Es zeigt ein griechisches Kreuz oder ein Kruckenkreuz, in dessen vier Quadranten jeweils ein kleineres Kreuz steht. Es symbolisiert Christus und die vier Evangelisten. Häufig wird die Tätowierung mit dem Christusmonogramm IHS und darunter der Jahresangabe der Pilgerreise versehen.

Besonders nachgefragt wird das Motiv in der Osterzeit. „Es gibt Tage, da steche ich 40 Tattoos am Tag“, zitiert das Tätowier-Magazin Antons Sohn Wassim Razzouk, der heute das Tattoostudio im alten Stadtkern von Jerusalem betreibt. „Viele Menschen haben von dieser Pilgerreise ihr Leben lang geträumt, die Tätowierung ist dann wie ein Zertifikat, daß sie es tatsächlich gemacht haben“, erzählt der 41jährige. Viele junge Leute wollten ein tätowiertes Kreuz tragen, um ihre Reise ins Heilige Land zu bezeugen und ihre Vorfahren zu ehren. Neben dieser Arbeit fährt Wassim Razzouk dreimal in der Woche nach Ramallah, um dort in einem Schönheitssalon Palästinensern kosmetische Tattoos zu stechen.

Eine weitere Reportage widmet sich der traditionellen Tattookunst der Iban, einer indigenen Volksgruppe auf Borneo. In Kuching, der größten Stadt der Insel, findet alljährlich eine kommerzfreie Tattoo-Messe statt. Besonders junge Einheimische lassen sich dort vornehmlich von Handtätowierern Symbole für einen starken und tapferen Krieger in die Haut stechen. Veranstaltungsberichte von Tattoo-Conventions in Florenz und im brasilianischen São Paulo komplettieren diesen Teil des Magazins. Außerdem werden drei Tätowierer aus Kalifornien, Schweden und Berlin porträtiert sowie ein Studio in Bottrop vorgestellt. Szeneinfos, eine Jobbörse und eine Terminübersicht sowie die Rubrik mit von Lesern eingesandten Fotos ihrer Tattoos gehören zu jedem Heft.

Kontakt: Huber Verlag GmbH & Co. KG, Markircher Straße 9a, 68229 Mannheim, Tel: 06 21 / 4 83 61-0. Das Einzelheft kostet 5,95 Euro, ein Jahresabo 64 Euro. www.taetowiermagazin.de

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