© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Den Haß gepredigt
USA: Vor fünfzig Jahren wurde der radikale Schwarzenführer Malcolm X von ehemaligen Weggefährten erschossen
Wolfgang Kaufmann

Im Jahre 1913 gründete Noble Drew Ali den Moorish Science Temple of America, dessen Doktrin besagte, daß die rassische Diskriminierung der Schwarzen in den USA nur durch deren konsequente Hinwendung zum Islam beendet werden könne. Hierauf aufbauend kreierte der zweite Führer der Gemeinschaft, Wallace Fard Muhammad, welcher sich seit Juni 1930 als Mahdi, das heißt als muslimischer Erlöser gerierte, die Nation of Islam beziehungsweise Lost-Found Nation of Islam.

Mit der letztgenannten Bezeichnung sollte darauf hingewiesen werden, daß die Schwarzen in Amerika alle zu einem uralten Stamm, den sogenannten Shabazz, gehörten und somit auch das Recht auf ein eigenes „Homeland“ innerhalb der USA besäßen. Außerdem propagierte das Sektenoberhaupt die Ideologie der Black Supremacy, welche eine Überlegenheit der Schwarzen über die Weisen postuliert – schließlich seien die letzteren weiter nichts als mißratene Produkte der Züchtungsversuche eines diabolischen schwarzen Wissenschaftlers namens Yacub.

Malcolm X radikalisierte die Nation of Islam

Allerdings verschwand der „Mahdi“ 1934 spurlos, woraufhin Elijah Muhammad die Führung der Nation of Islam übernahm. Unter seiner Ägide expandierte die Gemeinschaft erheblich. So stieg die Mitgliederzahl bis auf 50.000, dazu kam der Bau von 130 Tempeln. Mitverantwortlich für diesen Aufschwung zeichnete ab 1953 auch Muhammads neue rechte Hand Malcolm X. Dieser war 1925 als Malcolm Little geboren worden und hatte eine kriminelle Karriere eingeschlagen, welche ihn am Ende für sechs Jahre ins Gefängnis brachte. Dort schloß er sich auf Betreiben einiger Verwandter der Nation of Islam an, was unter anderem mit einer Namensänderung einherging: Das „X“ stand dabei für den ursprünglichen, aber nunmehr vergessenen Namen seiner afrikanischen Vorfahren.

Unter dem Einfluß von Malcolm X, der bald als offizieller Sprecher der Nation of Islam fungierte, kam es zu einer erheblichen Radikalisierung der Organisation. Während Muhammad keine direkten Auseinandersetzungen mit den Weißen wollte, trat sein Adlatus zunehmend als Haßprediger auf, der nicht nur Martin Luther Kings pazifistischen Ansatz, sondern auch den moderaten Stil eigener Glaubensgenossen verdammte: Jedweder Aufruf zur Gewaltlosigkeit sei ein Verbrechen und nur durch die langjährige „psychologische Kastration“ der Schwarzen zu erklären! Damit brachte er zwar die desillusionierte Ghetto-Jugend in den Nordstaaten hinter sich, avancierte aber zugleich zur Reizfigur für das weiße Establishment und die Führung der Nation of Islam. Deshalb erteilte Muhammad seinem Sprecher Ende 1963 ein neunzigtägiges Redeverbot – Anlaß waren dessen abschätzige Worte über den ermordeten Präsidenten John F. Kennedy –, woraufhin Malcolm X am 8. März 1964 mit der Nation of Islam brach.

Dem folgte die Gründung der Muslim Mosque Inc., deren Motto lautete: „Unsere Religion ist der Islam, unsere Philosophie ist ‘Schwarzer Nationalismus’“. Ebenso verkündete Malcolm X, der Weg zur Befreiung der Afroamerikaner laufe jetzt wohl auf die Alternative „Wahlzettel oder Kugel (the ballot or the bullet)“ hinaus, wobei er eher für das letztere plädiere. Des weiteren unternahm der schwarze Muslim-Führer im April 1964 eine Pilgerreise nach Mekka, nach deren Abschluß er sich El Hajj Malik el-Shabazz nannte.

In die USA zurückgekehrt, mußte Malcolm X dann alsbald unter Polizeischutz gestellt werden, weil es mehrere Morddrohungen gegen ihn gab. Diese hingen aller Wahrscheinlichkeit nach damit zusammen, daß er die sexuellen Eskapaden seines einstigen Gönners Elijah Muhammad publik gemacht hatte. Jedenfalls waren es am Ende tatsächlich die Nation-of-Islam-Anhänger Thomas Hagan, Muhammad Abdul Aziz und Kahlil Islam, welche Malcolm X am 21. Februar 1965 mit 21 Schüssen niederstreckten, als dieser gerade anhub, einen Vortrag im Audubon Ballroom von New York zu halten.

Siegeszug des Islam bei den Schwarzen in den USA

Begünstigt wurde das Attentat durch eine Anweisung von „Brother Malcolm“ an seine Bodyguards, während der Veranstaltung keine Waffen zu tragen. Außerdem sollen das FBI und die örtliche Polizei von den Anschlagsplänen des Trios gewußt, aber nichts unternommen haben, weil die Eliminierung des Unruhestifters Malcolm X ganz im Sinne der Staatsmacht lag. So lautet zumindest der Vorwurf des Historikers Manning Marable, der im April 2011 ein penibel recherchiertes Buch über die Hintergründe der Mordtat veröffentlichte.

Infolge des gewaltsamen Todes von Malcolm X kam es in den gesamten USA zu schweren Unruhen, bei denen über 300 Schwarze starben. Das nahmen Huey Newton und Bobby Sale zum Anlaß, die Black Panthers Party for Self-Defense zu gründen, deren Ziel auch in der Umsetzung der Ideen von Malcolm X lag. Allerdings fehlte jetzt der Bezug auf den Islam. Am Siegeszug dieser Religion innerhalb der afroamerikanischen Bevölkerung änderte das freilich nichts: Schwarze stellen inzwischen bereits ein Viertel aller Muslime in den USA. Deshalb könnten die anhaltenden Rassenkonflikte dort auch über kurz oder lang in einen Dschihad umschlagen.

Foto: Malcolm X: Aufrufe zur Gewaltlosigkeit seien ein Verbrechen und ein Beleg für die langjährige „psychologische Kastration“ der Schwarzen

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