© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Stasi auf rumänisch
Ein Tagungsband über die Aktivität des Spitzelapparates der Securitate während des Ceaucescu-Regimes vor 1989 in Siebenbürgen
Jürgen W. Schmidt

Gleich anderen Satellitenstaaten der Sowjetunion verfügte das kommunistische Rumänien über einen der politischen Unterdrückung dienenden Geheimdienst, der ab 1948 als „Directia Generala a Securitatii Poporului“ (Hauptdirektion für Sicherheit des Volkes) bzw. kurz als „Securitate“ (Sicherheit) bezeichnet wurde.

Mit diesem rumänischen Zwillingsbruder der Stasi befaßte sich im September 2010 der „Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde“ auf einer Tagung in Jena und legt nun seine Erkenntnisse in Buchform vor. Obwohl vor allem Siebenbürgen nebst der dortigen deutschen Minderheit im Fokus der Betrachtung steht, wird immer wieder der Vergleich zum übrigen Rumänien gezogen.

Wie die Stasi setzte die Securitate bei ihrer Arbeit auf massenhafte Verwendung von „IM“, wobei deren geschätzte Gesamtzahl von 1948 bis 1989 mangels wissenschaftlicher Erforschung bei Werten zwischen 400.000 und einer Million pendelt. Natürlich hatte die Securitate ebenso wie die Stasi potentielle Unruhestifter wie Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler scharf im Auge, wozu in Rumänien zusätzlich noch die nationale Minderheit der Siebenbürger Sachsen kam, die man allesamt für „unzuverlässig“ hielt. Fest im Griff der Securitate befand sich auch die orthodoxe Kirche mitsamt der Geistlichkeit.

Hier erweist sich der in Rumänien nur mangelhaft geregelte, gesetzliche Zugriff auf die Akten der Securitate als ein beträchtliches Hemmnis bei der Forschung. Offiziell verfügt Rumänien erst seit 2006 über eine staatliche Behörde, welche die Nutzung der Securitate-Akten regeln soll. Einzelne rumänische Wissenschaftler hatten allerdings aufgrund persönlicher Beziehungen zu Geheimdienstgranden und politischen Größen bereits in den Jahren zuvor einen gewissen Zugriff auf Securitate-Akten.

Oberlehrerhaftes Auftreten der Stasi in Rumänien

Brüderlich Hand in Hand arbeiteten Securitate und Stasi bei der Überwachung der Exilrumänen in der Bundesrepublik und West-Berlin, wobei sogar eine ganze Reihe erfolgreicher, gemeinsam organisierter Entführungen aus West-Berlin in den fünfziger Jahren zu verzeichnen sind. Es überrascht jedoch, daß die Staatssicherheit spätestens ab Ende der siebziger Jahre klammheimlich die politische Situation in Rumänien aufklärte und dazu hochgestellte Kader der rumänischen KP regelmäßig „abschöpfte“. Ursache dafür war die sehr eigenwillige, nicht immer sowjetkonforme Politik der rumänischen Staats- und Parteiführung.

Ab 1983 wurde so der Kandidat des ZK der rumänischen KP Ernst Breitenstein, ein rumäniendeutscher Journalist, bei seinen regelmäßigen Aufenthalten am früheren Studienort Leipzig unter Alkohol gesetzt und ausgefragt. Entsprechende MfS-Analysen wiesen danach Erich Honecker und den SED-Ideologiechef Kurt Hager auf die „realitätsfremde und widersprüchliche Politik Ceauseșcus“ hin.

In Rumänien machte sich zu Beginn der achtziger Jahre der „Kulturattaché“ und 2. Sekretär der DDR-Botschaft Günther Riegel unbeliebt. Die Securitate registrierte mißfällig, daß sich der linientreue Deutsche als Oberlehrer aufspielte und die Rumänen wegen ihrer wenig sowjetfreundlichen Haltung zu kritisieren wagte. Bei Riegel handelte es sich, wie der Securitate bekannt war, um den MfS-Residenten an der Botschaft.

Unter den IM der Securitate hat es, ähnlich wie in der DDR, Personen gegeben, denen das lebenslange Spitzeln förmlich eine Passion war. Der 1976 in die Bundesrepublik „geflüchtete“ Germanist Heinz Stanescu alias Heinz Rottenberg (1921–1994) gehörte zu dieser Sorte Spitzel. Aus einer großbürgerlichen, jüdischen Familie stammend, stieß Rottenberg mehr zufällig zu den rumänischen Kommunisten und startete ab 1945 eine steile Karriere als Securitate-Offizier. Seinen Namen dazu in „Stanescu“ rumänisierend, umfaßte sein Aufgabengebiet die Unterwanderung der Kirchen und der Intelligenz. Doch stolperte der Securitate-Major 1952 im prüden Rumänien über eine homosexuelle Affäre und wanderte ins Arbeitslager.

Hier diente er sich den vormaligen Securitate-Kollegen als eifriger IM an und begann 1953 eine zweite Karriere als Germanist. Seine „geheimdienstlichen“ Werke übertreffen allerdings vom Umfang her die wissenschaftliche Produktion, meint ironisch sein Biograph Stefan Sienerth. Es gibt wohl kaum einen rumänischen Literaten von Bedeutung, in dessen Akten sich kein Bericht von IM „Traian“ befindet. Obwohl in Rumänien als zwielichtige Persönlichkeit verrufen, konnte er in der Bundesrepublik ab 1976 eine zweite IM-Karriere, nunmehr bei der Auslandsaufklärung der Securitate, beginnen.

Mit dem Umbruch 1989/90 war die Geschichte der DDR-Staatssicherheit beendet und ihre Akten wurden offengelegt. In Rumänien nutzten hingegen die neuen rumänischen Geheimdienste, deren Mitarbeiter oftmals die alten Kader waren, mitunter die alten Securitate-Akten weiter. Manche Personalakten von IM, gerade von Personen im religiösen Bereich, genießen noch heute Schutz vor Offenlegung. Der Sammelband zeigt beim vergleichenden Lesen deutlich, daß die Stasi keinesfalls ein historischer „Ausrutscher“ war, sondern in ihrer Art geradezu typisch für kommunistische Diktaturen ist.

Joachim von Puttkamer, Stefan Sienerth (Hrsg.): Die Securitate in Siebenbürgen. Böhlau Verlag, Köln 2014, gebunden, 432 Seiten, 39,90 Euro

Foto: Vier rumänischen Spitzenfunktionären unter Ceauceșcu wird 1990 der Prozeß gemacht, links Innenminister und Securitate-Chef Tudor Postelnicu: Geradezu typisch für kommunistische Diktaturen

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