© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Umwelt
Hoffentlich Beton?
Toni Roidl

Beton prägt Deutschlands Architektur. Der Baustoff steht im Ruf robuster Haltbarkeit. Werbeslogan der Industrie: „Hoffentlich ist es Beton.“ Doch tatsächlich sind die Betonbauten, insbesondere der Baujahre nach 1970, Sanierungsfälle. Während zu früherer Zeit bei der Zementbeimengung nach dem Motto „Viel hilft viel“ verfahren wurde, haben die Hersteller den Zement­anteil reduziert oder auf günstige Substitute zurückgegriffen, wie Stäube aus Industriefilteranlagen, die zementähnliche Eigenschaften aufweisen.

Zudem galt einmal die Faustregel, daß der Abstand zwischen den äußeren Armierungseisen und der Betonoberfläche mindestens vierzig Millimeter betragen sollte. Auch dieser Abstand wurde durch Sparzwänge nach und nach verringert. Heute sind Abstände von zehn Millimetern nicht ungewöhnlich. Dabei geht man davon aus, daß Umwelteinflüsse etwa einen Millimeter des Betons pro Jahr „abnagen“.

Die Betonsanierfirmen gehen vor wie der Zahnarzt bei der Kariesbehandlung.

Der Zement ist aufgrund seines hohen ph-Wertes ein natürlicher Rostschutz für die Stahlarmierung. Doch Feuchtigkeit und Kohlendioxid, die durch Risse und Lunkern eindringen, zerstören diesen. Die Korrosion sprengt den Beton auf. Nicht verwunderlich, daß Betonsanierung ein zukunftssicheres Geschäft für spezialisierte Unternehmen ist. Die Firmen gehen vor wie der Zahnarzt bei der Kariesbehandlung: Die Roststellen werden freigelegt und mit Druckluft und Granulat gesäubert, abschließend das Loch mit Spezialmörtel verschlossen und ein Oberflächenschutz aufgetragen.

Wesentlich gefährlicher als CO2 und H2O sind Schäden durch Streusalze, etwa an Autobahnbrücken. Die Nitrate verursachen keine sichtbaren Schäden durch Rost, sondern zerfressen heimtückisch die Armierung innerhalb des Betons ohne äußerlichen Befund. Vor allem Großprojekte der Postmoderne, wie die Ruhr-Universität Bochum, sind perpetuierende Baustellen. Postmoderne? Rostmoderne!

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