© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Prozeß gegen den ehemaligen SPD-Politiker Edathy
Aufs Schafott
Hinrich Rohbohm

Sebastian Edathy muß sich derzeit wegen Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften vor Gericht verantworten. Der Verteidiger moniert, sein Mandant werde öffentlich an den Pranger gestellt und vorverurteilt. So berechtigt Schutz und Unschuldsvermutung für den einstigen SPD-Bundestagsabgeordneten sind, entbehrt der Fall jedoch nicht einer gewissen Ironie. Denn schließlich ist es Edathy selbst gewesen, der als linker Kampf-gegen-Rechts-Experte einst andere an den Pranger stellte, indem er sie als Rechtsradikale „brandmarkte“, um es mit den Worten seines Anwalts zu formulieren.

Wo war der Appell an die Unschuldsvermutung, als Edathy in Scharfrichter-Manier reihenweise Personen und Institutionen (einschließlich dieser Zeitung) in den Ruch brauner Ideologie zu bringen versuchte?

Keine Frage: Der 45jährige erlebt nun am eigenen Leib, was es bedeutet, durch Medienberichte auf das gesellschaftliche Schafott geführt zu werden, noch ehe ein Urteil gesprochen ist. Schadenfreude ist fehl am Platz, denn es könnte jeden treffen. Und daß niedersächsische Behörden und möglicherweise sogar ein hoher Beamter Informationen aus sensiblen Strafakten den Medien vorab zuspielen oder aber – schlimmer noch – Parteifreunde einen Politiker vor Strafverfolgung warnen, bleibt vollkommen inakzeptabel.

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