© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

„Die Anwürfe sind absurd“
Die Staatsanwaltschaft wird tätig, ein Gottesdienst unter Polizeischutz gestellt. Ein Landtag beschließt – einmalig in Deutschland – eine Resolution gegen einen Pastor. Das Land ist „außer Rand und Band“. Was ist passiert? – Olaf Latzel hat eine Sonntagspredigt gehalten
Moritz Schwarz

Herr Pfarrer, warum mißbrauchen Sie Ihre Stellung als Geistlicher, um „Haß gegen Anders- und Nichtgläubige“ zu verbreiten?

Latzel: Ich darf ein Prediger des Evangeliums sein. Wer das Evangelium predigt, kann keinen Haß verbreiten.

So heißt es aber in der Resolution der Bremischen Bürgerschaft gegen Sie.

Latzel: Was mir zum Teil unterstellt wird, ist abenteuerlich und entbehrt der Grundlage. Es werden Zitate verkürzt oder aus dem Zusammenhang gerissen.

Ihre eigene Landeskirche wirft Ihnen vor, ein „Haßprediger“ und „geistiger Brandstifter“ zu sein. Ihre Predigt vom 18. Januar leiste der „Gewalt gegen Fremde, Andersgläubige oder Asylbewerber Vorschub“.

Latzel: Im Gegenteil, ich habe dort deutlich gesagt, sollte es je zu Ausschreitungen gegen Angehörige anderer Religionen kommen, haben wir die Pflicht, uns vor diese Menschen zu stellen!

Wie kommen die Bürgerschaft und Ihre Amtsbrüder dann darauf?

Latzel: Das fragen Sie diese bitte selbst. Leider hat mich keiner von ihnen mal angerufen und nachgefragt, um die Sache zu klären.

Immerhin prüft die Staatsanwaltschaft nun, ob der Anfangsverdacht für den Straftatbestand der Volksverhetzung vorliegt.

Latzel: Ich bin kein Jurist – aber wenn mich jemand anzeigt und sogar die eigenen Amtsbrüder mich einen Haßprediger nennen, hat die Staatsanwaltschaft doch keine andere Wahl, als dem nachzugehen. Ich fürchte da aber nichts.

Bremens SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen wirft Ihnen vor, zum „Religionskampf“ aufgerufen zu haben. Und siebzig Ihrer Amtsbrüder haben öffentlich gegen Sie demonstriert, Motto: „Bremen ist bunt. Wir leben Vielfalt.Wir distanzieren uns davon, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Antisemitismus oder rassistisches Gedankengut mit biblischem Glauben zu bemänteln.“

Latzel: Mit „Bremen ist bunt“ habe ich nicht das geringste Problem, im Gegenteil, ich unterstütze die Aktion. Mich interessiert nicht, ob einer Afrikaner, Araber, Chinese oder Europäer ist, denn Gott hat die Menschen bunt geschaffen. Ich habe immer wieder Dienst in ausländischen Gemeinden getan und setze mich nachdrücklich für die Gründung einer syrisch-arabischen Gemeinde in unserer Landeskirche ein. Der Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit ist absurd!

Warum wird er dann erhoben?

Latzel: Gute Frage. Das funktioniert so: Da wird einfach etwas behauptet. Dann fängt die Presse an, dies zu verbreiten. Und schließlich reagiert die Politik darauf. Daß die Behauptungen gar nicht stimmen, interessiert dann keinen mehr. Hat man erst mal sein Etikett aufgeklebt bekommen, wird man es kaum mehr los. In der Distanzierung meiner Amtsbrüder ist zum Beispiel auch von „Antisemitismus und rassistischem Gedankengut“ die Rede. Aber auch das hat mit mir und meiner Predigt nicht das geringste zu tun – ich erwähne dort nichts, was diese Themen überhaupt berührt. Dieser Vorwurf ist einfach der schiere Wahnsinn.

Im Zentrum der Anschuldigungen gegen Sie steht diese Passage Ihrer Predigt: „Es gibt nur einen wahren Gott.Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das ist Sünde, das darf nicht sein. Davon müssen wir uns reinigen.“ Ist das nicht islamophob?

Latzel: Nein, ist es nicht. Aus der Bibel ergibt sich klar, daß es nur einen Weg zum ewigen Leben gibt – den durch Jesus Christus. Er selbst sagt: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Und: „Wer nicht zur Tür hineingeht, sondern steigt anderswo hinein, ist ein Dieb und Räuber. Ich (aber) bin die Tür.“ Damit kann es für Christen kein Ja zu anderen Religionen geben – das hat mit dem Islam speziell gar nichts zu tun.

Immerhin haben Sie das islamische Zuckerfest in der Predigt „Blödsinn“ genannt.

Latzel: Ich gebe zu, daß diese Stelle mißverständlich ist. Wenn man frei spricht, geht auch mal ein Satz daneben. Ich habe mich dafür bereits entschuldigt. Gemeint war nicht das Zuckerfest selbst. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Muslime dieses feiern. „Blödsinn“ ist es, wenn Christen dies tun. Hintergrund war eine Frage an mich aus der Gemeinde. Ein Mitglied hat eine Einladung zum Zuckerfest bekommen. Als Christ kann ich mit meinem muslimischen Nachbarn dessen Geburtstag feiern, nicht aber religiöse Feste, ebensowenig wie dieser Weihnachten oder Ostern feiern kann.

Buddha haben Sie als „alten, fetten Herrn“ verspottet.

Latzel: Auch diese Stelle ist mißverständlich und auch dafür habe ich mich entschuldigt. Allerdings, wenn Sie sich die Predigt aufmerksam angehört haben, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, daß ich das nicht getan habe. Ich habe vielmehr Buddha aus der Sicht eines gedankenlosen Christen geschildert. Hintergrund ist wieder ein Fall aus unserer Gemeinde. Es geht darum, daß sich manche Christen eine Buddha-Statue auf den Schrank stellen und zwar in der irrigen Ansicht, es handele sich nur um einen „netten, alten, fetten Herrn“. Falsch, es handelt sich um das Gottesbild einer anderen Religion, und da ist die Bibel eindeutig: Das ist Sünde. Davon hat sich ein Christ fernzuhalten.

Wenn das die Lehre der Bibel ist, warum hat dann Ihre Landeskirche ein Problem damit?

Latzel: Das frage ich mich auch, denn die Bibel läßt keinen Zweifel daran, daß Gott nichts mehr ein Greuel ist, als wenn wir neben ihn andere Götter stellen. Deshalb lautet das erste der Zehn Gebote – das allen anderen vorangeht – auch: „Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Und das finden Sie in der Bibel immer wieder. Lesen Sie etwa nach bei Jesaja, bei Hesekiel, bei Hosea – dort geht es gar in jedem der vierzehn Kapitel darum!

Bei Ihren Ausfällen gegen katholischen „Reliquiendreck“ handelt es sich allerdings eindeutig nicht um ein Mißverständnis.

Latzel: Hier geht es nicht um fremden Glauben, aber darum, klar zu sagen, daß für einen Christen Reliquien nicht zu tolerieren sind. Hintergrund ist, daß mir Mitglieder meiner eigenen Kirche in falsch verstandener Toleranz inzwischen sagen, man wüßte doch gar nicht, ob Reliquien segnend wirkten oder nicht. Da kann ich nur antworten: Wofür wollt ihr eigentlich in zwei Jahren das 500. Jubiläum der Reformation feiern? Ein Großteil der Reformation hat mit der Reinigung des eigenen Hauses zu tun! Martin Luther wollte eigentlich keine neue Kirche, sondern die Kirche reinigen – vor allem von Götzendienst. Es ging mir nicht darum – so wie das jetzt dargestellt wird –, gegen Katholiken zu „hetzen“. Im Gegenteil, ich kenne viele wunderbare Katholiken, die einen festen Glauben haben. Zudem komme ich selbst aus einer katholischen Familie, und in vielem ist mir die katholische sogar näher als meine eigene Kirche. Aber in puncto Reliquien muß glasklar gesagt werden, was ist christliche Lehre und was ist Irrlehre.

In unserer modernen Gesellschaft sind solche Verbalinjurien einfach nicht mehr akzeptabel. Dagegen haben Sie verstoßen.

Latzel: Die Bibel spricht immer wieder in diesen Worten, Paulus bezeichnet etwa sein altes Leben als „Hundedreck“. Ein Politiker kann Rücksichten nehmen, ein Journalist kann Rücksichten nehmen, jemand, der die Heilige Schrift verkündet aber nicht. Denn damit der Heilige Geist wirken kann, muß die Botschaft der Bibel klar und unverfälscht ausgesprochen werden. Selbstverständlich gehört aber zu dieser Klarheit und Schärfe immer auch die unbedingte Gewaltlosigkeit. Und das sage ich auch immer wieder!

Hintergrund Ihrer Predigt ist das geplante „House of One“ in Berlin.

Latzel: Auch für Bremen wird jetzt ein solches „Haus des Einen“ gefordert, was mich dazu motiviert hat, das Thema in der Predigt aufzugreifen – auch weil Fragen dazu aus der Gemeinde an mich gestellt wurden. Bei diesem Haus handelt es sich um Synagoge, Moschee und Kirche unter einem Dach.

Allerdings mit getrennten Gebetsräumen. Wo ist also das Problem?

Latzel: König Salomo etwa, der sein Herz immer bei Gott hatte und dem Gott zweimal persönlich erschienen ist, ließ für die Götter seiner Nebenfrauen Tempel errichten, weil er, wie man heute sagen würde, ein toleranter Typ war. Doch dann heißt es in der Bibel: „Da wurde der Herr zornig über Salomo, daß er sein Herz von ihm abgewandt hatte.“

Das ist Altes Testament – lehrt uns Jesus im Neuen Testament nicht einen ganz anderen, unbedingt versöhnlichen Gott?

Latzel: Erstens sind beide Testamente das eine Wort Gottes, und zweitens finden Sie solche Aussagen ebenso im Neuen Testament: Jesus habe ich schon zitiert. Ebenso finden Sie das bei Paulus oder in den Sendschreiben der Offenbarung.

Im Zentrum Ihrer Predigt steht die Geschichte von Gideon, den Gott beauftragt, die Götzen des Baal-Kultes in der Stadt „umzuhauen“, zu „zerhacken“ und zu „verbrennen“. Ist es da nicht berechtigt, wenn Bürgermeister Böhrnsen Sie des „Aufrufs zum Religionskrieg“ bezichtigt?

Latzel: So steht es in der Bibel, aber ich habe der Gemeinde in der Predigt erklärt, was gemeint ist, nämlich Schnitte zu machen, da wo versucht wird, das Christentum mit anderem zu vermischen. Mit keinem Wort habe ich dazu aufgefordert, gegen die Gebetsstätten anderer Religionen vorzugehen, oder daß etwa Moslems keine Moscheen bauen dürfen. Im Gegenteil, das ist ihr Recht.

Aber ist das kein Widerspruch zu den Geschichten Gideons und Salomos, auf die Sie sich berufen?

Latzel: Auch in dieser Hinsicht ist die Bibel eindeutig: Das Evangelium setzt sich in Liebe und Freiheit durch, und jeder Mensch muß die Freiheit haben, nein zu Gott zu sagen. Keiner darf deswegen bestraft oder zwangsbekehrt werden. Ein Gottesstaat wäre in jedem Fall ein Übel. Was aber auch nicht passieren darf, ist, daß uns die Gesellschaft sagt, es gäbe keine absolute Wahrheit oder gar, was wir als Christen zu glauben haben. Und darum geht es: Mit Projekten wie dem „Haus des Einen“ wird die Vorstellung propagiert, wir beteten alle zum gleichen Gott – ob man Jude, Moslem oder Christ sei, spiele letztlich keine Rolle. Diese Idee ist auch in der Kirche auf dem Vormarsch. Man hat in der Vergangenheit sogar schon versucht, mir ein Lehrzuchtverfahren anzuhängen, weil ich es abgelehnt habe, den Gott der Bibel und Allah gleichzusetzen. Dieser Druck wächst vor allem nach Ereignissen wie dem Terror von Paris. Wer sich dem da noch verweigert, steht schnell als „Extremist“ da, wird gar mit al-Qaida oder dem IS auf eine Stufe gestellt.

Woher kommt dieser Druck?

Latzel: Ich sehe die Kirche mehr und mehr von einer Gesellschaftsphilosophie instrumentalisiert, die die Freiheit und die Unterschiede fürchtet. Wohin es führt, wenn Kirche so etwas mitmacht, haben wir in unserem Vaterland sowohl im Dritten Reich wie in der DDR bereits erlebt. Wir haben uns allein an Jesus Christus auszurichten!

Warum macht die Kirche diese Instrumentalisierung mit?

Latzel: Ich sage Ihnen ehrlich, viele Pfarrer sind selbst nicht mehr vom Glauben überzeugt, sie sprechen das Glaubensbekenntnis ohne dahinterzustehen. Ich habe Amtsbrüder, die öffentlich – schriftwidrig – sagen, Jesus sei nicht der einzige Weg zum Heil. Schon bei der Ausbildung junger Pfarrer wird heute der Glaube systematisch kaputtgemacht, indem die Autorität der Bibel ausgehöhlt wird. Wenn das aber passiert, geht der Glaube den Bach runter. Denn „Kirche“ kommt vom griechischen Kyrios, also: „zum Herrn“ – wenn das nicht mehr erkennbar ist, werden wir keinen Segen von Gott erhalten und bald auch keine Bedeutung mehr in dieser Welt haben. Und jeder normale Mensch fragt sich doch: „Warum soll ich glauben, wenn selbst die Kirche nicht mehr glaubt?“ Aus einem Krug, in dem kein Wasser ist, kann man nicht trinken. Die Wahrheit ist: Was unsere Evangelische Kirche heute dringend braucht, ist eine Reform hin zur Bibel, hin zu Jesus Christus!

Nun gibt es ein Gutachten der Landeskirche, das Ihnen attestiert zu irren.

Latzel: Das kommt von Leuten, welche die Autorität der Bibel in Frage stellen und zum Teil immense Probleme mit den Bekenntnissen haben, auf die sie ordiniert wurden. Sie werfen mir vor, an Gott zu glauben, wie ein kleines Kind. Da sage ich: Richtig – ich vertraue Gott und seinem Wort wie ein kleines Kind!

Auch wenn Sie gar nicht gegen den Islam gehetzt haben, fürchten Sie nicht, ob der Tatsache, daß es viele Medien so kolportiert haben, zum Ziel einer islamistischen Gewalttat zu werden?

Latzel: Jeder, der sich mit meiner Predigt auseinandersetzt, wird erkennen, daß ich kein Hasser der Muslime, sondern sogar für ihre gesellschaftliche Integration bin. Zudem haben wir einen Gott, der uns in der Bibel immer wieder zuruft: „Fürchte dich nicht!“ Daran will ich mich halten, darauf vertraue ich.

 

Olaf Latzel, ist Pastor der St. Martini-Gemeinde zu Bremen. Mit seiner Sonntagspredigt vom 18. Januar 2015 sorgte er deutschlandweit für mediales Aufsehen: Angesichts der „Haßpredigt“ (Frankfurter Rundschau) des „Pöbel-Pastors“ (Bild), der „in alle Richtungen hetzt“ (Focus), sei „das Land außer Rand und Band“ (FAZ). Der Cicero dagegen attestiert seiner „Wutpredigt“ zwar den „Sound des Fundamentalismus“, lobt aber, angesichtes allgegenwärtiger „Konfliktscheu und Denkfaulheit“ mache gerade der „Störfaktor des Unzeitgemäßen seine Predigt so spannend“. Latzel wurde 1967 im mittelhessischen Biedenkopf geboren. Seine Predigt ist im Internet abrufbar unter:

Foto: Pfarrer Latzel: „Das funktioniert so: Es wird etwas behauptet, die Presse verbreitet es, die Politik reagiert darauf. Daß die Behauptung gar nicht stimmt, interessiert dann keinen mehr.“

 

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